Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft: „Alles, was nicht greifbar, nicht erfahrbar ist, bleibt nur Theorie”

Forstamtsleiter Helmut Seitel (Mitte) stellte bei einem Presse- termin eine der drei Meter langen Eichenholzbänke vor, die in den 13 kommunalen Wäldern aufgestellt werden. Auch der Babenhäuser Forst wird eine „Nachhaltigkeits-Bank“ erhalten.

Das Dieburger Forstamt lädt für Sonntag (23.6.) zur „Nachhaltigkeits-Wanderung“ im Babenhäuser Wald ein. Mit forstkundlichen Touren durch 13 kommunale Wälder soll der Begriff Nachhaltigkeit erfahrbar gemacht werden.

Markus Euler trägt zum Pressetermin im Garten des Dieburger Forstamts einen schwarzen Anzug mit roter Krawatte. Der rot-schwarze Käfer, der sich auf die Garderobe des stellvertretenden Sparkassendirektors verirrt hat, harmoniert farblich bestens mit dem Ensemble. Zudem passt das kleine Insekt gut zum Anlass für das Pressegespräch.

Es geht um Nachhaltigkeit - ein Begriff, der aus der Forstwirtschaft stammt, in jüngster Zeit jedoch auch Einzug in andere Bereiche gehalten hat. In Wirtschaft und Politik, aber auch umgangssprachlich, werde er oft gedankenlos und inflationär benutzt, sagt Forstamtsleiter Helmut Seitel. „Nachhaltigkeit ist ein fordernder, schwieriger Begriff. Sie ist auf Langfristigkeit angelegt, kann also erst dann überprüft werden, wenn sie eingetreten ist.“ In Wirtschaft und Technologie, Politik und Gesellschaft lasse sich deren Wirkung schwer nachweisen.

Anders in der Forstwirtschaft. Dort begründete Hans Carl von Carlowitz vor 300 Jahren das Prinzip der Nachhaltigkeit. Anfang des 18. Jahrhunderts, als Holz vor allem als Energieträger diente und Raubbau am Wald betrieben wurde, erkannte von Carlowitz, dass diese Art der Forstnutzung keine Zukunft hat. 1713 formulierte er das Ziel, nur soviel Holz zu schlagen, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen kann. Die „Nachhaltigkeit“ war geboren. Forstleute haben den Begriff verinnerlicht. Doch für viele andere Nutzer - von Wanderern und Erholungssuchenden über Freizeitsportler und Naturliebhaber bis zu jenen, die ihr Brennholz aus dem Wald beziehen - bleibt er abstrakt. Das möchte das Dieburger Forstamt nun ändern.

„Alles, was nicht greifbar, nicht erfahrbar ist, bleibt nur Theorie“, sagt Helmut Seitel. Die Praxis sollen Wanderungen zur Nachhaltigkeit liefern. Bis Ok-tober wird es in acht kommunalen Wäldern Führungen geben, in denen Revierförster auf die Besonderheiten des jeweiligen Forstes eingehen. Das Projekt wird unterstützt vom Verein Methusalembäume, sowie von der Sparkasse Dieburg. Jede der 13 Kommunen im Bereich des Forstamts wird eine Holzbank mit einem Schild erhalten, das Ausflügler einlädt, sich zu setzen und ein Weilchen die Natur zu genießen.

Um die nachhaltige Forstwirtschaft zu überprüfen, gibt es Parameter. Mit diesen hat das Forstamt errechnet, dass in den Dieburger Wäldern in nur 45 Minuten die Holzmenge nachwächst, die für die drei Meter lange und 500 Kilogramm schwere Eichenholzbank benötigt wurde. Pro Tag wächst dort also eine Holzmenge nach, mit der 32 Bänke hergestellt werden können.

Die 13 „Nachhaltigkeitsbänke“ werden von der Dieburger Sparkasse finanziert. Etwa 250 Euro ist eine Bank wert. Auch der Wert des Waldes lässt sich in Zahlen ausdrücken. In den 15 000 Hektar Wald werden jährlich rund 70 000 Festmeter Holz für den Verkauf geschlagen. 2012 konnten so 900 000 Euro erwirtschaftet werden. Der wirtschaftliche Erfolg ist ein Ergebnis nachhaltigen Handelns, denn die Wälder sind zweifach zertifiziert; vor allem das Holz der Bäume mit FSC-Siegel erzielt höhere Verkaufspreise.

Doch was hat der kleine rot-schwarze Käfer mit all dem zu tun? Helmut Seitel hält ihn zunächst für einen „Ameisenbuntkäfer“. Der ist es bei näherer Betrachtung zwar nicht, für einen kurzen Ausflug in das komplexe Ökosystem Wald eignet er sich dennoch. „Ameisenbuntkäfer ernähren sich von Borkenkäfern, sind deshalb für eine ökologische Schädlingsbekämpfung wertvoll.“ Auch dies sei ein Beitrag zur Nachhaltigkeit und dem langfristigen Erhalt der Wälder.

Info: Das Dieburger Forstamt lädt für Sonntag (23.) zur Wanderung durch den Babenhäuser Forst ein. Die familienfreundliche Tour mit Imbiss dauert zwei Stunden, Beginn ist um 10 Uhr am Waldeingang Eppertshäuser Weg.   mel

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