Doktorarbeit von Holger Köhn: Die Babenhäuser Kaserne im Zeitraum 1946 bis 1950

Die historischen, denkmalgeschützten Gebäude der Babenhäuser Kaserne dienten einst als Lager für „Displaced Persons“. Holger Köhn hat diesen Teil der Kasernengeschichte in seiner Doktorarbeit rekonstruiert.

Bis 1950 waren in Deutschland sieben Millionen heimatlose Menschen in „Displaced-Persons-Lagern“ untergebracht. Mehrere Tausend von ihnen in der Babenhäuser Kaserne. Holger Köhn hat in seiner Doktorarbeit die Lage der Lager beleuchtet.

Seit die Amerikaner im Jahr 2007 die Babenhäuser Kaserne verließen, versuchen die Stadt und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümerin des Geländes, das Areal zu vermarkten. Während Kommunalpolitiker, Bima und die Babenhäuser Bürger ihr Augenmerk auf die Nachnutzung der Kaserne richten, befasste sich Holger Köhn (40) mit einem Teil der Geschichte dieses Quartiers.

Köhn hat sich einer kurzen, aber auf mehrfache Weise bedeutenden Zeitspanne gewidmet. Er beleuchtete die Jahre 1946 bis 1950 - ein Zeitraum, in dem an vielen Orten in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands Menschen in „Displaced-Persons-Lagern“ untergebracht waren. Holger Köhn analysierte für seine Doktorarbeit die lokale Lage und räumliche Situation von zehn einstigen DP-Lagern, darunter jene in Babenhausen und Dieburg. Seine Dissertation hat er unter dem Titel „Die Lage der Lager“ veröffentlicht.

Fünf Jahre dauerten die Recherchen des Historikers, der aus Babenhausen stammt und heute in Darmstadt lebt. An der dortigen TU hat er Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften studiert, arbeitete später als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der TU Darmstadt und als Redakteur der „Neuen politischen Literatur“. Schon in seiner Magisterarbeit befasste sich Holger Köhn mit der Situation der DPs.

Für den Begriff „Displaced Person“ gebe es keine adäquate deutsche Übersetzung, sagt er. Keinesfalls dürfe man sie mit Heimatvertriebenen verwechseln. „DPs waren Personen ausländischer Herkunft, meist Zwangsarbeiter und Menschen, die aus Konzentrationslagern befreit worden waren“, erklärt Köhn. Sie konnten nicht ohne Hilfe in ihre Heimat zurückkehren, zum Teil existierten deren Herkunftsländer nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

In dieser Situation, nirgends hinzugehören und nirgends hinzukönnen, befanden sich rund sieben Millionen Menschen, für die die westlichen Alliierten eine Lösung finden mussten. Sie bestand darin, die Displaced Persons so lange in Lagern unterzubringen, bis sie in ihre Herkunftsländer zurückgeführt (repatriiert) werden konnten. Der Aufenthalt in den Lagern sollte nur von kurzer Dauer sein, doch viele DPs mussten dort mehrere Jahre ausharren. „Hunderttausende lebten unter unhaltbaren Bedingungen wie in gigantischen Wartesälen“, sagt Holger Köhn. Viele, wie ehemalige KZ-Häftlinge, wurden quasi von einem Lager in ein anderes verschoben.

Teilweise sei man dazu übergegangen, die DPs aus den Getto ähnlichen Zuständen herauszunehmen und über Territorien zu verteilen. Doch auch unter den Amerikanern habe es Antisemiten gegeben, weiß Köhn. „War dies der Fall, blieben die Menschen, vor allem jüdischer und osteuropäischer Herkunft, in den Lagern.“ Viele weigerten sich zunächst, die Lager zu beziehen. So auch in Babenhausen, wo die Kaserne ab Herbst 1946 als jüdisches DP-Lager genutzt wurde, bevor ab Mitte 1947 bis Ende 1950 Displaced Persons aus dem Baltikum dort lebten.

Seine Recherchen führten den zweifachen Familienvater in rund zwei Dutzend Archive im In- und Ausland, darunter das Archiv der Vereinten Nationen in New York und das Holocaust Memorial Museum in Washington. Dort, wo einst die Lager existierten, befragte er die einheimische Bevölkerung, arbeitete deren Wahrnehmung und Beziehung zu den DPs heraus. „Es gibt nicht die Einheimischen oder die DPs. Hinter den Begriffen stehen immer Einzelschicksale“, betont er. Seine Aufgabe sei es, Ereignisse zu rekonstruieren, historisch einzuordnen und zu deuten. Eine moralische Wertung gehöre nicht dazu. Inzwischen arbeitet Holger Köhn selbstständig als Historiker, hat mit Journalist Christian Hahn in Frankfurt das „Büro für Erinnerungskultur“ gegründet. Derzeit arbeitet er an einer Ausstellung zur Geschichte der Straßenbahnfahrer in Darmstadt, die ab August im Straßenbahndepot zu sehen sein wird.   mel


Holger Köhns Doktorarbeit „Die Lage der Lager“ ist als Buch beim Klartext-Verlag erschienen (ISBN 978-3-8375-0199-5). Mehr Infos: www.erinnerungskultur.de.

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