Doch etwas unterscheidet die Klasse 2b der Hergershäuser Bachwiesenschule von den anderen. Ein großer Umzugskarton aus Pappe ist es, der die Aufmerksamkeit der 14 Jungs und Mädchen auf sich zieht. Bevor sie auf ihre Plätze gehen, wollen alle Kinder erst einen Blick in den Karton werfen.
13 frisch geschlüpfte Küken mit gelbem, braunem oder gestreiftem Flaum purzeln darin übereinander - ihr zartes Piepsen geht in den entzückten Rufen der Kinder fast unter. 21 Tage lang haben die Schüler sich um die Hühnereier gekümmert, die in ihrem Klassenraum in einem Brutkasten lagen. „Wir haben sie jeden Tag gedreht, so wie die Henne das macht“, erzählt Emilia (8). Niklas ergänzt: „Wir mussten gucken, dass die Temperatur stimmt. Sonst schlüpfen die Küken nämlich nicht.“
Die Eier brauchen eine konstante Temperatur von 37,8 Grad Celsius, damit sich die Küken optimal entwickeln und nach drei Wochen aus der schützenden Eischale befreien können, erklärt Grundschullehrerin Heike Wendel. Sie hatte die Idee zum Schulprojekt „Vom Ei zum Küken“, das ursprünglich nur für ihre zweite Klasse vorgesehen war, an dem aber bald die ganze Bachwiesenschule Anteil nahm. „Viele meiner Lehrerkolleginnen haben das Projekt unterstützt, indem sie an den Wochenenden herkamen. Denn die Eier müssen auch samstags und sonntags gedreht werden.“
An Schultagen führten die Kinder abwechselnd ein Brutprotokoll, in das sie Temperatur und Luftfeuchtigkeit, sowie ihre Beobachtungen eintrugen. „Da tut sich ziemlich lange gar nichts“, weiß die achtjährige Era und verrät einen Trick: „Man kann mit einer Lampe die Schale durchleuchten und erkennen, ob das Ei befruchtet ist und ob das Küken wächst.“ Einige Eier mussten schon zu Beginn oder im Laufe des Projekts aussortiert werden. „Die Kinder sollten auch lernen, dass nicht aus jedem Ei ein Huhn werden kann, bei einer Brut nicht alle durchkommen“, sagt Wendel, deren Vater und Lebensgefährte beide versierte Hühnerzüchter sind. Aus ihrem Stall stammten auch die Eier der Rassen „Araucana“, „Weißes Leghorn“, „Holländisches Zwerghuhn“ und „Bielefelder Kennhuhn“.
„Man nennt sie Kennhuhn, weil man bei den Küken schon am ersten Tag erkennt, ob sie Jungs oder Mädchen sind“, erklärt Emilia. Auch sonst haben die Kinder vieles über Hühner gelernt, während sich im Brutkasten die Küken entwickelten. Wie ein Huhn lebt und was es braucht, um sich wohl zu fühlen, wissen die Zweitklässler nun. Sie wissen, dass Hühner keine Zähne haben, außer dem Eizahn, mit dem sie sich aus der Schale picken. Sie können etliche Rassen unterscheiden, haben gelernt, dass Hühner gern im Sand scharren und nachts auf einer Stange schlafen, und sie kennen den Unterschied zwischen rohen und gekochten, zwischen befruchteten und unbefruchteten Eiern.
Nun, da sie geschlüpft sind, können die Hühner nicht mehr lange in der Schule bleiben. Lehrerin Wendel wird sie bald zu ihren großen Artgenossen bringen. Zwei Hühner könnten aber schon in einigen Wochen nach Hergershausen zurückkehren. „Ich darf zwei Hühner behalten“, sagt Era und fügt stolz an: „Mein Papa baut gerade einen Hühnerstall.“ mel
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