Celluloidwarenfabrik Schöberl & Becker (kurz Cellba): Ein brauner Schatten liegt auf der Babenhäuser Cellba

Im Zeichen der Nixe wurden die Cellba-Puppen hergestellt. Das Wappen auf dem Firmengelände am Ostheimer Weg trägt die Jahreszahl 1923.

Die Babenhäuser Ehrenbürgerin Ria Fischer verfasste im Jahr 1986 eine Betrachtung über die beginnende Industrialisierung und über die Spielwarenfabrikation in Babenhausen. Sie schildert hierbei explizit die Geschichte der Celluloidwarenfabrik Babenhausen, Schöberl & Becker – kurz Cellba genannt. Der Firmenname Cellba setzt sich aus dem verwendeten Werkstoff für die Spielwaren, dem Celluloid, und dem Firmensitz Babenhausen zusammen. Die Cellba wurde 1924 gegründet und entwickelte sich zu einem europaweit agierenden Unternehmen.

In einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1938 wird sie als die „zweitgrößte Puppenfabrik der Welt“ bezeichnet. Eine Sonderausstellung im Territorialmuseum „Zwei Puppenpatente waren der Anfang“ befasst sich mit der Cellba, der Puppenproduktion und natürlich den zahlreichen verschiedenen Cellba-Puppen und Spielwaren mit dem Zeichen der Nixe.
Die im Januar 1924 gegründete Cellba arbeitete für den Vertrieb von Puppen und Spielwaren zuerst mit einem Großhändler aus Mannheim zusammen. Bereits im Dezember 1924 schloss man einen Vertrag mit der Firma Mayer & Co. aus Frankfurt am Main ab. Alle In- und Auslandsgeschäfte wurden nun über diese erfahrene Firma abgewickelt. Wie Ria Fischer erläutert, erwies sich diese Zusammenarbeit als sehr vorteilhaft für die Cellba. Bereits fünf Jahre später wurden bei der Cellba über einhundert Arbeiter und Angestellte voll beschäftigt. Die Cellba war ein moderner Betrieb und machte Babenhausen im Inland, aber auch im Ausland für die Puppen mit der Nixe bekannt.
In der Publikation des Heimat- und Geschichtsverein Babenhausen „Im Zeichen der Nixe – Die Familie Schöberl in Babenhausen“ wird zwar nicht explizit auf die Zusammenarbeit mit der Firma Mayer eingegangen, dafür wird über eine Geschäftsbeziehung der Cellba mit Gustav Oppenheimer berichtet. Wie diese Zusammenarbeit konkret aussah bleibt in der Veröffentlichung allerdings offen.
Firma Mayer & Co.
Die Firma Michael Mayer & Co. wurde am 1. März 1919 als offene Handelsgesellschaft gegründet. Die Geschäftsleitung erfolgte durch Michael Mayer (bis 1933) und Josef Mayer, später durch Gustav Oppenheimer. Firmensitz war die Hanauer Landstraße in Frankfurt am Main. Firmenzweck war der Großhandel mit Celluloid-Spielwaren und Toilettenartikel im In- und Ausland. Die Firma exportierte nach Holland, Belgien, England, Italien und in die nordischen Länder.
Die Firma Mayer war Provisionsvertreter für die Babenhäuser Celluloidwarenfabrik und übernahm den Alleinvertrieb der dort hergestellten Waren. Die Rechnungen wurden durch die Firma Mayer versandt und auch die Geldeingänge wurden verbucht und an die Cellba weitergeleitet. Bei eingehenden Schecks und Wechsel aus dem Ausland wurde ebenso verfahren.
Firma Oppenheimer & Co.
Die Firma Oppenheimer & Co. wurde im November 1922 in Frankfurt am Main als offene Handelsgesellschaft gegründet. Geschäftsinhaber waren Gustav Oppenheimer und Joseph Mayer. Die Firma Oppenheimer betrieb einen Großhandel in Toilettenartikel und exportierte nach Belgien, Holland, England, in die nordischen Länder, sowie nach Italien, Spanien und Frankreich. Die Exportgeschäfte wurden in „Toilette, Galanterie und Spielwaren“ vorgenommen. Die Firma belieferte rund 2.000 Auslandskunden und beschäftigte etwa zwanzig kaufmännische Angestellte und Lagerarbeiter. Die Firmen Mayer und Oppenheimer erschlossen den europäischen Markt für die Cellba und erhielten aus den abgeschlossenen Verkäufen eine Provision. Reisespesen, Kosten der Kundenwerbung, Provisionen für eigene Untervertreter mussten die beiden Firmen selbst tragen.
Die Firmen Mayer und Oppenheimer wurden nebeneinander geführt, hatten allerdings die gleichen Inhaber. Beide Firmen hatten einen Jahresumsatz von ca. 700.000 bis 800.000 Reichsmark, bei einem Durchschnittsverdienst von 8 bis 10% des Umsatzes.
Zusammenarbeit endet 1938
Die Akten im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden sprechen eine deutliche Sprache: „Im Zuge der Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden erfolgte am 3. Oktober 1938 eine Arisierung der Firma Oppenheimer & Co. durch „Cellba“ Celluloidfabrik Babenhausen, wobei Inventar und Lagerbestand mitübernommen wurde. Die Firma Mayer & Co., als reine Vertreterfirma, musste ebenfalls Anfang Oktober 1938 aufgegeben werden“. Gustav Oppenheimer und Joseph Mayer waren jüdischen Glaubens und im Schriftverkehr der verwahrten Akten heißt es: „Die Arisierungsbestimmungen nötigten zum Verkauf des Geschäftes und zur Auswanderung“.
Arisierung
Arisierung oder „Entjudung“ nannten die Nationalsozialisten die Verdrängung von Juden aus Handel und Gewerbe, aber auch aus Wohnungen und Häusern. Damals als „ordnungsgemäßer Verkauf“ bezeichnet, wird er heute als „Raub“ eingeordnet. Nur selten erhielten die „Verkäufer“ einen angemessenen Preis. Für die betroffenen Menschen jüdischen Glaubens bedeutete dies meist die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz. Im Herbst 1938 befanden sich von ehemals 100.000 Betrieben mit jüdischen Inhabern nur noch 40.000 in den Händen der rechtmäßigen Eigentümer. Das jüdische Vermögen war von 1933 bis 1938 auf die Hälfte geschrumpft. Auch die Herren Mayer und Oppenheimer mussten ihre Firmen verkaufen. Bezeichnenderweise kann man im „Kaufvertrag“, der Firma Oppenheimer & Co. der mit der Cellba in Babenhausen geschlossen wurde, keinen Kaufpreis finden. Der Verkaufserlös sollte durch einen „Taxator“ ermittelt werden, die Warenbestände sollten zum Selbstkostenpreis der Verkäufer übergeben werden. Eine Kaufpreiszahlung der Cellba an die Herren Mayer und Oppenheimer kann man in den Akten des Staatsarchives nicht ersehen.
Familie Gustav Oppenheimer
Am 26. Dezember 1892 wurde Gustav Oppenheimer in Hemsbach geboren. Er besuchte drei Jahre die Volksschule und sechs Jahre die Realschule in Heppenheim und schloss im April 1908 mit der Reifeprüfung ab. Bei der Firma Max Carlebach (Großhandels- und Exportgeschäft) in Frankfurt am Main war er als Lehrling tätig und arbeitete anschließend im gleichen Unternehmen als Lagerist und Reisevertreter. Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges befand sich Gustav Oppenheimer in der Schweiz und stellte sich bald dem Heeresdienst. Während des Krieges wurde er in der „Kampffront im Westen“ eingesetzt. Nach Kriegsende nahm er seine frühere Tätigkeit auf, bevor er im Jahr 1919 Mitbegründer der Firma „Bieberer Bein- und Celluloidwarenfabrik“ in Offenbach am Main war. Die Fabrik brannte im Jahr 1922 ab und die Geschäftstätigkeit wurde nach Frankfurt am Main verlegt. Das neue Unternehmen, G. Oppenheimer & Co., nahm bald einen bedeutenden Umfang an. Die nationalsozialistische Verfolgung führte 1938 zum Verkauf des Unternehmens.
Flucht in die USA
Die Familie Oppenheimer, Gustav und Ehefrau Amanda mit den beiden Söhnen Erich und Alfred konnten in die USA fliehen. Die Mutter von Gustav Oppenheimer, Gimi Oppenheimer, begleitete die Familie in die Vereinigten Staaten von Amerika. Im November 1938 verfiel der Haushalt der Familie der Beschlagnahme und musste durch eine sogenannte Judenabgabe in Höhe von 4.000 Reichsmark losgekauft werden. Neben den Auswanderungskosten von über 3.000 Reichsmark wurde auch die Reichsfluchtsteuer in Höhe von 4.700 Reichsmark fällig. Wer auf legalem Weg auswandern wollte musste seine Wertpapiere und Verkaufserlöse von Geschäften und Immobilien auf einem Sperrmark-Konto belassen. Der Umtausch des Auswandersperrguthabens in ausländische Währung wurde nur mit einem Abschlag vorgenommen, der sogenannten Dego-Abgabe. Diese Abgabe betrug Anfang 1934 noch 20% und stieg im August des gleichen Jahres auf 65%. Im Juni 1938 wurde die Dego-Abgabe auf 90% und im September 1939 auf 96% erhöht.
Da Gustav Oppenheimer vor seiner Familie in New York eintreffen wollte, um die Unterbringung vorzubereiten, reiste er mit seinem Bruder am 8. Oktober 1938 von Rotterdam aus mit der „Nieuw Amsterdam“ ab. Aufgrund der immer größeren Bedrohung der jüdischen Bürger, hielten sich Ehefrau Amanda, die Kinder Erich und Alfred, sowie Gimmi Oppenheimer vor der Ausreise in Amsterdam auf. Eine Woche vor der Ausreise begaben sie sich nach London, um am 12. Oktober 1938 mit dem Dampfer „Hansa“ von Southampton aus nach New York auszureisen.
Die Möbel und der Hausrat der gut eingerichteten 6-Zimmer-Wohnung wurden einem Transportunternehmen übergeben. An der holländischen Grenze wurde der Transport angehalten und nach Frankfurt zurückbefördert. Nun sollte der gesamte Hausstand über Berlin, Riga und Wladiwostok in die USA gebracht werden. Die Schwester von Amanda Oppenheimer, Minni Stern, kümmerte sich um das Umzugsgut. Sie mietete hierfür Räume an und erstellte eine präzise Transportliste. Als Minni Stern 1941 deportiert wurde, hörte die Betreuung des Umzugsgutes auf. Es muss angenommen werden, dass der gesamte Hausstand dem Schicksal des jüdischen Eigentums im Deutschen Reich verfiel - wahrscheinlich wurde es von den Behörden beschlagnahmt.
In Amerika gründeten die Brüder Karl und Gustav Oppenheimer eine Firma, die Oppenheimer Bros. – Taschentücher en Gros. Selma und Joseph Mayer konnten mit ihren beiden Kindern im November 1938 ebenfalls fliehen. Sie überlebten den Zweiten Weltkrieg in Newcastle / England.
Minni Stern
Die Schwester von Amanda Oppenheimer, Minni Stern, wurde mit dem ersten Transport aus der Provinz Hessen-Nassau von Frankfurt am Main (im Oktober 1941), in das Ghetto Litzmann-stadt (Lodz) deportiert. Im Gedenkbuch für die Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 (geführt im Bundesarchiv) wird die Deportation aufgeführt, über das weitere Schicksal von Minni Stern schweigen die Akten. Minni Stern überlebt den Holocaust nicht, ein Erinnerungsdenkmal in Bad-Nauheim erinnert an ihr Schicksal.
„Wiedergutmachung“
Gustav Oppenheimer wurde im Jahr 1962 aufgrund des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz) ein Betrag in Höhe von 9.148 DM als Wiedergutmachung für seinen Berufsschaden bewilligt.
Joseph Mayer wurde für Schaden im beruflichen Fortkommen ein Betrag von 6.000 DM (im Jahr 1956), ein Jahr später ein Betrag von 480 DM und 1961 ein Betrag von 3.876 DM bewilligt und ausgezahlt. Die Auszahlung in Form einer Rentenzahlung wurde abgelehnt.            hz

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