Die Damen wollen ins Freie: Fünf Przewalski-Pferde beziehen ihre neue Heimat in Babenhausen

Angekommen!

Entlang des Holzzauns reihen sich Fotografen auf, prüfen noch einmal die Einstellungen ihrer Kameras, bringen sich und ihre Ausrüstung in Position. Ob alle bereit seien, fragt Harald Fuhrländer vom Bundesforst, der neben einem grün-weißen Transporter steht. Denn: „Die Damen wollen ins Freie.“

Wie um seine Worte zu bekräftigen, machen sich die „Damen“ im Transporter lautstark polternd bemerkbar. Als Fuhrländer die Hecktür öffnet, verstummen die Geräusche kurz. Dann kommen zwei helle Pferdeköpfe zum Vorschein, schwarze Augen blinzeln ins grelle Licht, versuchen sich zu orientieren. Mehr rutschend als gehend bewegt sich das erste von fünf Przewalski-Pferden die Rampe hinunter. Halb verdeckt von hüfthohen Gräsern stürmt es davon. Mitten im Lauf hält es plötzlich inne, schaut zu den anderen Pferden zurück, die in schneller Folge aus dem Transporter kommen.

Acht Stunden Fahrt liegen hinter den äußerst seltenen und entsprechend wertvollen Tieren. Als letzte Urform des Wildpferdes sind die Przewalskis einzigartig. Ihr erstes Lebensjahr verbrachten die fünf Stuten im Züricher Wildpark Langenberg, wo sie in einer größeren Herde lebten. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz und heutigen Naturschutzgebiet hinter der Babenhäuser Kaserne sollen die Przewalski-Stuten nun auf ihr Leben in Freiheit vorbereitet werden. Ziel ist es, die Tiere eines Tages in den Steppen Zentralasiens auszuwildern. Nach „Hohe Warte“ in Gießen und „Campo Pond“ in Hanau gibt es mit Babenhausen nun das dritte „Trainingslager“ für Przewalski-Pferde in Hessen.

Eigentümerin des knapp 86 Hektar großen Geländes, sowie der fünf Stuten ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) mit der Sparte Bundesforst. „Die Pferde sind aber vom Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) ausgewählt worden“, sagt Bundesforst-Mitarbeiterin Paulin Kammann. Von den beiden Zuchtlinien A (reinrassig) und B (Einkreuzungen) gebe es weltweit nur insgesamt etwa 2000 Tiere. „Die Gruppen müssen sehr sorgfältig zusammengestellt werden. Die einzelnen Tiere dürfen nicht zu nah verwandt sein, damit die genetische Vielfalt und damit die Art erhalten bleibt“, erklärt Kammann. Dazu wird ein internationales Zuchtbuch geführt.

Das Artenschutzprojekt dient jedoch nicht nur dem Erhalt der Wildpferde. Die Tiere übernehmen ebenfalls eine wichtige Aufgabe, indem sie das heideähnliche Gelände auf natürliche Weise pflegen. Sie halten die Gräser kurz und die Fläche von Unterholz frei, lockern mit ihren Hufen die karge Erde und hinterlassen nach ausgiebigen Sandbädern flache Kuhlen im Boden, in denen später kleine Tümpel entstehen können.

Die fünf Pferdedamen, die Wilma und Wanda, Walli, Wendy und Wera getauft wurden, sind zwar wild und sollen es auch bleiben. Anfassen ist nicht möglich, anschauen dagegen sogar erwünscht. 70 Hektar Freifläche und ein Teil des Waldes wurden mit einem stabilen Holzgatter und einem Elektrozaun eingefriedet, ein Paddock mit Wasserstelle errichtet. Durch das Gelände führt ein Besucherweg über eine Anhöhe mit Blick auf weite Teile des Naturschutzgebiets.

Alle Beteiligten, darunter die Untere Naturschutzbehörde und die Stadt Babenhausen, hätten hervorragend zusammengearbeitet, sagt Matthias Pollmeier vom Bundesforst. Dass es von der ersten Begehung des Geländes bis zur Ankunft der Pferde dennoch fünf Jahre dauerte, habe an den umfangreichen Vorarbeiten gelegen. Auch die Finanzierung musste geklärt werden. „Das Projekt wird nicht durch Steuergeld, sondern über Ökopunkte finanziert“, erklärt Pollmeier. Den Löwenanteil hat die Adam Opel AG übernommen, die damit einen ökologischen Ausgleich für die Erweiterung ihres Testgeländes bei Dudenhofen schafft.

„Bislang haben wir Ökopunkte im Wert von etwa 900000 Euro erworben und in das Babenhäuser Artenschutzprojekt investiert“, sagt Rainer Rösch von der Opel AG. Derzeit erarbeite der Autohersteller mit der Bima einen Zehn-Jahres-Plan für weitere Maßnahmen. Das Gelände und die Pferde werden täglich kontrolliert. Die Stadt hat dafür zwei Babenhäuser ausbilden lassen, die den Zustand der Pferde überprüfen, wenn nötig, Auffälligkeiten melden. Die örtlichen Tierärzte Edith Bernius und Matthias Gehb wurden mit der veterinärmedizinischen Versorgung beauftragt. „Wir greifen aber nur im Notfall ein“, sagt Pollmeier. „Die Tiere sollen ohne menschliches Zutun zurecht kommen. Später in Freiheit müssen sie es auch ohne uns schaffen.“   mel

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