Gesundheitsversorgung: Hausärztemangel soll durch ein Medizinisches Versorgungszentrum gestoppt werden

Offener Brief der Babenhäuser Ärztinnen und Ärzte, dass der Hausärztemangel auch in Babenhausen angekommen ist, veröffentlicht in der Babenhäuser Zeitung vom 21. Juni 2007.

Hausärztemangel auch in Babenhausen angekommen! Mit dieser Überschrift wandten sich im Juni 2007 „Ihre Babenhäuser Ärztinnen und Ärzte“ an die Bürger von Babenhausen. Sie stellten fest, dass die flächendeckende hausärztliche Versorgung gefährdet ist und die Ärzte vor einem gewaltigen Versorgungsproblem stehen. „Sechs hausärztlich tätige Arztpraxen können auf Dauer nicht alle Einwohner ausreichend betreuen!“ Hieß es in dem Brief den Dr. Backhaus, Dr. Kubat, Dr. Öztoprak, Dr. Seib, Dr. Spahn, Herr Travaci (Kinderarzt) und Herr Wasilie unterzeichneten.

Ebenfalls 2007 scheiterte der erste Vorstoß zur Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums im Kreis Darmstadt-Dieburg. Klaus Peter Schellhaas, damals noch Klinikderzent im Kreis, wollte damit die Lücken in der haus- und fachärztlichen Versorgung schließen. Was hat sich in den letzten Jahren getan? Wurden die Anstrengungen der Beteiligten belohnt? Die von der Stadt Babenhausen initiierte Homepage www.Babenhausen-gesund.de weist aktuell acht Hausärzte auf, wobei Herr Wasilie seine Praxis zum 31.03. aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste und auch privatärztliche Praxen aufgeführt sind. In Babenhausen kommen 2.500 Einwohner auf einen Hausarzt. Zum Vergleich: Hessenweit liegen die Zahlen bei 1.671 Einwohner je Hausarzt. Es besteht also ein akuter Bedarf an drei bis vier Hausärzten in Babenhausen. Daher kann von einer Unterversorgung im hausärztlichen Bereich gesprochen werden. Die Mitversorgung im fachärztlichen Bereich erfolgt über die Anbieter in Aschaffenburg, Darmstadt, Dieburg, Groß-Umstadt und Seligenstadt. „Wir nehmen leider keine Patienten mehr auf, versuchen Sie es bitte bei einer anderen Praxis.“ Diese Aussauge hört man immer häufiger, denn nicht nur in den ländlichen Regionen macht sich der Wandel im Gesundheitswesen bemerkbar. Warum ist das so? Verschiedene Aspekte sind für diese Entwicklung verantwortlich. Beispielsweise scheitern viele an Medizin interessierte Berufseinsteiger, an den hohen Vorgaben des Numerus-Clausus-Wertes (NC), der in Hessen bei einem Notendurchschnitt von 1,1 liegt. Dabei werden Ärzte händeringend gesucht. In Deutschland findet jeder zweite Hausarzt keinen Nachfolger. Allein im Kreis Darmstadt Dieburg werden bis 2020 fast 70 Hausärzte einen Nachfolger suchen, da sie ihre Praxis mit 65 Jahren abgeben werden. Aber nicht nur Hausärzte sind gesucht, die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg suchen allein für den Standort Groß-Umstadt zur Zeit acht Assistenz- oder Fachärzte. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Veränderung des Berufsbildes Hausarzt. Der Hausarzt, wie ihn die Patienten von früher kennen, ist immer seltener anzutreffen. Der Trend geht zu größeren Organisationen mit geregelter Arbeitszeit, Urlaub und Teilverantwortung. Daher müssen zukünftig zwei ausscheidende Hausärzte durch ungefähr drei junge Hausärzte ersetzt werden. Gründe für ein Engagement werden immer mehr durch das soziale Umfeld, Kinderbetreuung, etc. beeinflusst. Auch die Aspekte: Interessante Arbeit, Gestaltungsmöglichkeit, Vernetzung mit anderen Leistungserbringern und Verdienstmöglichkeiten stehen im Fokus der „neuen“ Ärzte. Da ein Arzt etwa 40% seiner Zeit für administrative Aufgaben verbraucht ist eine sofortige Selbständigkeit für junge Mediziner mit einem hohen Aufwand verbunden und nicht attraktiv. Aus diesem Hintergrund heraus schaffte der Kreis Darmstadt-Dieburg, unter dem Dach eines Medizinischen Versorgungszentrums öffentlich betriebene Haus- und Facharztpraxen. Das erste MVZ ging 2014 in Ober-Ramstadt an den Start. Dort arbeiteten bereits Haus- und Fachärzte unter einem Dach. Weitere MVZ´s wird es auch in anderen Orten geben, teilte Landrat Schellhaas bereits 2014 mit. Babenhausen, Reinheim, Fischbachtal, Eppertshausen und Gundernhausen nannte er in diesem Zusammenhang. Die Vorteile sind offensichtlich: Haus- und Fachärzte unter einem Dach garantieren den Patienten eine umfassende Versorgung aus einer Hand. Eine enge Kooperation mit den Kreiskliniken ergeben ebenfalls Vorteile für alle Beteiligten. Junge, gut ausgebildete ärztliche Nachwuchskräfte lassen sich leichter in ein MVZ integrieren als in ihnen einen Praxisnachfolger zu finden. Die Erfahrungen anderer Regionen, aber auch die des MVZ Ober-Ramstadt sind positiv, berichtete Christian Keller, Leiter der Kreiskliniken, bei einer Informationsveranstaltung im Heinrich-Klein-Haus in Babenhausen. Entgegen des MVZ in Ober-Ramstadt fängt Babenhausen allerdings bei „Null“ an und aufgrund der Tatsache, dass man in Ober-Ramstadt ein Jahr suchte um einen Arzt zu finden, ist die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten nicht die größte Hürde. Christian Keller, der zum 30.06.2016 die Geschäftsführung der Ortenau-Klinik (Baden-Württemberg) übernimmt, kehrt damit in seine alte Heimat zurück. Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg werden zukünftig von drei Geschäftsführern geleitet. Christoph Dahmen, dem derzeit stellvertretendem Betriebsleiter, dem Ärztlichen Leiter Dr. med. Martin Schunck und die Leiterin Personal und Recht, Pelin Meyer, übernehmen zukünftig drei Geschäftsführer die Geschicke der Kreiskliniken. Landrat Schellhaas bezeichnet die neue Aufteilung mit drei Geschäftsführern als „unsere Ideallösung, bei der alle Verantwortlichkeiten optimal verteilt sind“. Wann mit einem „Babenhäuser-MVZ“ zu rechnen ist, steht leider noch in den Sternen. Alle Beteiligten sind sich aber der aktuellen Problematik bewusst und arbeiten mit Hochdruck an einer guten Lösung – hoffentlich wird diese schnell gefunden und umgesetzt.   hz

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