Noch unsicher, was sie erwarten sollte, tröpfelten die Besucher auf den Parkplatz am Schwannengraben, wo seit Tagen die aufgebaute Seilanlage für neugierige Blicke sorgte. Auf zwölf Metern Höhe war ein 18mm starkes Stahlseil gespannt. Unter dem 16 Meter langen Seil sorgte ein Schutznetz für einen gewissen Grad an Sicherheit. Mit zwischen acht und zwölf Kilo schweren Balancierstangen überqueren die 18 Mitglieder der Familie Weisheit das Seil. Selbst der erst 5-jährige Lenny wagt sich in diese schwindelnde Höhe und der älteste Artist der Familie zählt 58 Lenze. Mit viel Kraft, Präzision und Körperspannung balancieren die Artisten zu Fuß, mit Fahrrädern und sogar auf Stelzen über das Seil. Immer neue Konstellationen und Drei-Personen-, oder gar Fünf-Personen-Pyramiden lassen das Publikum staunen.
Um 15 Uhr war in historischer Kulisse auf dem Schlossplatz eine „Historische Vorführung“ geplant. Alte Kostüme, Flüstertüte statt Mikrofon und Leierkasten, Schellen und Trompeten statt CD-Player kündeten ein Programm wie „Anno Dazumal“ an. Das Seil nur vier Meter hoch, doch auch die Requisiten von 1900, wurden Tricks mit ähnlichem Schwierigkeitsgrad gezeigt. Dass ein Akrobat auch klein anfangen muss, zeigte Lenny, indem er nicht nur Handstand auf Papas Händen vormachte, sondern er wagte sich auch schon an Papas Hosenbund geklammert auf das Seil. Dreier-Pyramiden waren in diesem Programm ebenfalls dabei, jedoch auch Hochradfahren und Stuhlsitzen oder gar Pfannenkuchenbrutzeln. Mit Witz und Charme spielten sich die Geschwister aus Gotha in die Herzen des Publikums.
Zum absoluten Highlight und krönenden Abschluss des Jubiläums-Fests wurde der Schrägseil-Akt hinter der Stadtmauer: drei Seile waren auf vier Meter Höhe bei der Katholischen Kirche und auf 40 Meter Höhe an einem Gerüstturm gegenüber dem evangelischen Gemeindehaus ange- bracht. 100 Meter Rennstrecke für Motorräder – die Zuschauer konnten es kaum fassen! Doch über dem 40 Meter-Gerüst erstreckte sich eine schwankende Stahlstange bis in 62 Meter Höhe. Mit bloßem Auge kaum mehr sichtbar kletterte Natalia Weisheit ungesichert die Steiggriffe hinauf und zeigte auf einer kleinen Plattform in dieser schwindelerregenden, windigen Höhe ihre Kunststücke: Kopfstand, Handstand, Freistand auf einem Bein. Schließlich stützte sie sich wie ein Wimpel im Wind seitlich von der Plattform weg. Als wäre das alles nicht mehr als ein Spaziergang, spielte sie noch ein Trompetensolo in luftiger Höhe: „Amazing Grace“ tönte es über die Dächer der Altstadt hinweg und die Kirchturmspitze wirkte plötzlich ganz niedrig.
Aber eine Akrobatin geht nicht einfach nur die Leiter nach unten, wenn sie fertig ist, sondern setzt noch Eins drauf: ihr eigenes Körpergewicht nur mit den Zähnen festhaltend, fuhr sie mit dem Zahnrad zurück zum Podest.
Als Nächstes hatten die KTM-Motorräder mit den spezialisierten Reifen ihren großen Auftritt. Mit 60-80 km/h fuhren sie dicht an den Hochmast heran und zeigten die atemberaubendsten Kunststücke. Mit menschlichen Gegengewichten unterhalb ihrer Maschinen wurde artistische Kraftakrobatik auf 34 Metern Höhe gezeigt. Nur auf dem Hinterrad fahrend mutete es wie Motocross an und beim „Doppelten Todeslooping“ lassen sie Babenhausen auf dem Kopf stehen. Die Schlusspose nach dem Motorradrennen auf dem Schrägseil ist bezeichnend für die Truppe: „Sportlich sollte man sein und abenteuerlustig. Und ein bisschen gaga hilft auch.“ So zählt einer der jungen Weisheits die Fähigkeiten auf, die man mitbringen muss, um solche Höchstleistungen zu vollbringen. Respekt! kb
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