Stellungnahme aus dem Babenhäuser Rathaus: Kinder, Märchen und Trolle – Betreuung und Folgen

Aus aktuellem Anlass sind entgegen besinnlicher Weihnachtsstimmung leider notwendige Informationen zu teilen. Kinder und deren Betreuung sind dankbare Aufgaben. Der gesetzliche Anspruch auf Kinderbetreuung ist nicht nur Aufgabe, sondern echte Herausforderung, denn Qualitätsvorgaben sind zu erfüllen, daher Personalschlüssel einzuhalten. Wenn in Folge von unkontrollierbaren Umständen der Personalschlüssel nicht eingehalten werden kann, darf eine Betreuung nicht erfolgen. Dabei ist die Ursache zunächst gleichgültig, natürlich sind krankheitsbedingte Abwesenheiten der erste auf der Hand liegende Grund.

Ein weiterer Grund kann in einem leergefegten Arbeitsmarkt der Weggang von Fachkräften sein. Über 8000 Erzieher*innen fehlen allein in Hessen. Die Ausbildung dauert Stand heute 5 Jahre und wird sehr schlecht bezahlt, in Ausbildung sind derzeit etwa 2400 Personen. Es ist deutlich, dass eine Lösung so nicht zeitnah in Sicht ist, auch wenn auf allen politischen Ebenen Verbesserungen angestrebt werden.
In Babenhausen haben sich durch Krankheit und Abwanderung von Fachpersonal Lücken in der Betreuung aufgetan. Während wohl jedem einleuchtet, dass ein plötzlicher Krankheitsfall eine solche Lage erzeugt oder verschlimmert, führt der Verlust von Fachkraftstunden durch Weggänge und Kündigungen derzeit Argumentationsketten ins Reich der Märchen und Mythen.
Offenbar reicht aber die Phantasie nicht aus, um zu realisieren, dass Fachkräfte in einem angespannten Markt so viele Überstunden und Resturlaube vor sich herschieben, dass eine Kündigung trotz entsprechender Fristen zu einem schnellen bis sofortigen Ausstieg führen können.
Statt nun das weiter um Lösungen bemühte Personal in den Kindergärten zu unterstützen, oder zumindest etwas Verständnis zu entwickeln, suchen Einige verbissen nach einem Schuldigen, den man beschimpfen und verdammen kann. Dies bringt unterschiedliche Triebe hervor.
Da sucht man die Ursache allein in den Maßnahmen vor Ort, eine weitere dringend erforderliche Kita sei schuld am Wechsel von einem Betreiber zum anderen. Da gibt es Verbalattacken zwischen Eltern der Kita Kinder unterschiedlicher Einrichtungen. Die noch wörtlichen Auseinandersetzungen brauchen keinen OK-Coral oder ein Schlachtfeld, der Supermarkt reicht aus. „Wir stürmen Eure Kita und holen unsere Erzieherinnen zurück“ bringen uns zurück ins Raubrittertum, man muss einfach nur den Kopf schütteln. Doch es geht noch persönlicher. Ehrenamtlich in Fördervereinen von Kitas Aktiven wird unterstellt, „Mitarbeiter abgeworben zu haben“. Der Ton wird rauer, persönliche Angriffe finden statt, auch Trolle, aus der Märchenwelt bekannt, nutzen soziale Medien, um aus der Anonymität heraus die Menschen persönlich anzugehen, die sich zum Wohle der Kinder und Eltern engagiert haben. Man fragt sich: „geht’s noch?“
Und weil Raubrittertum und Aggression noch nicht reichen, wird kolportiert, die Stadt hätte alle Ihre Betreiber verpflichten müssen, Mitarbeiterwechsel zwischen den Betreibern zu unterbinden. Derartige fast mafiöse Absprachen sind nicht einfach nur illegal. Sie vorzuschlagen zeugt von grober Unkenntnis diverser Gesetze. Vergaberecht und Marktbeeinflussung lassen wir außen vor. Die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ als Grundrecht des Einzelnen schließt die freie Wahl des Arbeitsplatzes mit ein, Sklaverei und Leibeigenschaft sind seit langem abgeschafft. Und das ist gut so. Statt also dankbar zu sein, dass zumindest weiter Babenhäuser Kinder in Babenhäuser Einrichtungen betreut werden, wird außer Acht gelassen, dass mit Nähe zu Frankfurt Löhne in diesem Sektor außertariflich steigen, wohlhabende Kommunen durch bessere Bezahlung Mitarbeiter abziehen. Es braucht halt einen greifbaren Sündenbock vor Ort.
Die Anfeindung ehrenamtlich Tätiger wie auch Fachpersonal, das wechselt, sind Vorgänge, die unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung grob zuwiderlaufen und keinerlei Toleranz erwarten können. Ein derartiges Vorgehen ist schon zu normalen Zeiten unerträglich, in der Vorweihnachtszeit sind Wunder erwünscht, man kann sich aber hier wirklich nur noch wundern.
Es bleibt die Hoffnung, dass derartige Strömungen sich nicht fortsetzen und verstärken, sondern an den Bastionen des gesunden Menschenverstandes und des sozialen Miteinanders zum Erliegen kommen.

Joachim Knoke,
Bürgermeister

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