„Art To Go“ im Territorialmuseum: Aus der Kunst mitnehmen, was Einem gefällt

Seit dem 7. Oktober findet man im Territorialmuseum in einer Sonderausstellung Kunst von internationalem Rang. Der 1940 in Berlin geborene Künstler Helmut Rottke verbrachte seine Kindheit und Jugendjahre im beschaulichen Babenhausen. 1960 begann er ein Studium der Grafik und Kunst an der Werkkunstschule in Offenbach, das er 1964 mit dem Staatsexamen abschloss. Von da an zog es ihn in die Ferne, wo er als Artdirector arbeitete und die Agentur Rottke für Werbung und Design in Düsseldorf gründete. In den Folgejahren gewann er mehr als 50 Auszeichnungen und Medaillen. Seine Ausstellungsorte waren und sind unter anderem das Centre Pompidou in Paris, der Artdirectorsclub in New York und Taiwan und viele mehr. Und jetzt eben auch Babenhausen!

Wie es dazu kam, erfahren die zahlreichen Besucher der Vernissage im Museum in den einleitenden Worten von Uwe Friedrich. Friedrich ist ein ehemaliger Schulkamerad Rottkes und traf sich mit ihm im März letzten Jahres im Folkwang-Museum in Essen anlässlich einer Ausstellung von 100 Theaterplakaten Rottkes. Bei diesem Wiedersehen entstand die Idee einer Ausstellung des international renommierten Künstlers in der Gersprenzstadt. Dabei gesteht Friedrich, der Mitglied im örtlichen Künstlerkreis ist, dass doch einige motivierende Energie seinerseits eingeflossen sei, aber Rottke schließlich mit heimatverbundener Freude an die Vorbereitung der Ausstellung ging. Uwe Friedrich freut sich über ein weiteres „Mosaiksteinchen im Vorhaben, Babenhausen zu einer Schloß- und Kulturstadt zu entwickeln“, welches in einem historisch bedeutenden Gebäude wie dem Territorialmuseum auch an keinem passenderen Ort platziert werden könnte. Rottke verbrachte seine Jahre in Babenhausen schräg gegenüber in einem weiteren Gaylinghaus in der Amtsgasse.
Durch Betrachten der Kunstwerke übersteige man Alltagsgedanken, wie Friedrich erläuterte. Der Duktus, einem flüchtigen Pinselstrich gleichend, hat hohen Wiedererkennungswert, ist sehr reduziert und emotional, einem Impuls folgend. „Kalligrafische Gesten“, wie der Künstler selbst seine Bilder beschreibt.
Rottke war überwältigt von dem großen Interesse, mit dem seine Kunst in Babenhausen angenommen wurde. Er selbst sieht sich ganz besonders in seiner Reihe „Pinseldramen“ als Medium: „die bilder entstehen und vollenden sich wie von einem fremden erdacht. ich spüre ich bin medium.“ Beim Malen sei sein Bewusstsein nahezu ausgeschaltet. Seine Pinseldramen seien gegenstandslos und doch glaube man Gegenständliches zu sehen. In Tusche und Goldbronze auf Papier gebrachte Gefühle, die dem Betrachter Spielraum geben für „lustvolle Deutungen und Entdeckungsreisen in die eigene Psyche“.
Als „Geschenk“ an die anwesenden Kunstinteressierten rollte der Künstler zwei Bahnen Zeichenpapier aus, auf dem er viele kleine Pinseldramen mit Chinatusche gemalt hatte. Zum Erstaunen der Umstehenden zückte er eine große Schere und begann großzügig, eine Ecke aus der Bahn zu schneiden. Er forderte die Umstehenden auf, es ihm gleichzutun und ein Element nach eigenem Gusto zum Mitnehmen auszuschneiden. Beim Zerschneiden entstehen neue Bezüge und was manchem der Teilnehmer an dieser Aktion weh tut, wird vom Künstler selbst sehr gern gesehen. „Jeder soll aus der Kunst mitnehmen, was ihm gefällt und was zu ihm passt!“, ermutigte er die zögernden Zuhörer. Er signierte gerne die so ergatterten „Echten Rottkes“ und kam über diese Aktion mit jedem der Besucher ins Gespräch.
Die neun Schulkollegen, die zur Eröffnung der Ausstellung gekommen sind, tauschen Anekdoten zu ihrer Schulzeit aus und mit Norbert Rackensberger erinnert sich Rottke gerne an die wilden mitfünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, in denen sie die Kneipen entlang der B26 unsicher machten. Nicht überall waren sie gerne gesehen, da sie aufgrund ihrer finanziell begrenzten Mittel „eine Flasche Bier mit zwei Gläsern“ bestellten, nur um der damals von ihnen so geliebten Jazzmusik in den Ami-Clubs zu lauschen.
Rottke erinnert sich daran, wieviel Energie er als 22-Jähriger aufwandte, um sich von zuhause abzulösen. Obwohl sein Zeichentalent sehr früh erkannt und auch gefördert wurde, wollte sein Vater doch nicht, dass sich der Sohn beruflich einer „brotlosen Kunst“ verschrieb, sondern lieber Kaufmann werden sollte. Schließlich hat der junge Helmut Rottke seine Eltern überzeugen können, wenigstens die Hälfte der Studienkosten zu übernehmen.
Dass dieser ruhige und bescheiden neben seinen Kunstwerken stehende Mann normalerweise auf den großen Bühnen der Welt zuhause ist, faszinierte jeden der Besucher. Seine „Pinseldramen“ regen die Fantasie an und sind noch bis zum 17. Dezember zu den Öffnungszeiten des Territorialmuseums in der Amtsgasse 32 zu betrachten. Da sie auch käuflich zu erwerben sind, findet der eine oder andere Besucher vielleicht ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk?     kb

 

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