Das besondere Gefühl, in eine winzige Welt einzutauchen, die man selbst erschaffen und bis ins kleinste Detail modelliert hat, kann auch der Laie schnell nachempfinden. Dabei macht es kaum einen Unterschied, ob sie mit einer Fläche von gut 15 Quadratmetern ein ganzes Zimmer ausfüllt wie die Garmischbahn, bei der Alexander Ruzicka sogar Originalgestein aus Garmisch-Partenkirchen verwendet hat. Oder ob es ein eher kleine, schlichtere Modelle sind wie die einstigen Bahnhöfe in Langstadt und Klein-Umstadt.
Das eine beeindruckt durch seine schiere Größe und die in allen Einzelheiten durchdachte Gestaltung. Das andere durch seinen regionalen Bezug und die historische Genauigkeit. Denn Alexander Ruzicka geht es nicht nur um den Modellbahnbau und das anschließende Fahrvergnügen. Er ist auch ein exzellenter Kenner der Bahngeschichte, vor allem die der Odenwaldstrecke.
„In den vergangenen 25 Jahren hat die Bahn eine enorme Umstrukturierung erlebt. Am stärksten haben sich die Veränderungen auf die regionalen Strecken, den Nahverkehr und die kleinen Bahnhöfe ausgewirkt“, weiß der 40-Jährige. So wurden die Bahnhöfe Langstadt und Klein-Umstadt - wie viele andere auf der Odenwaldbahnstrecke - zu Haltepunkten, die Gebäude wurden verkauft, Stellwerke verschwanden ebenso wie Schienen und Verladegleise.
Anstelle von Bahnmitarbeitern, die Signale betätigen, Schranken öffnen und schließen, Fahrkarten verkaufen gibt es nun ein digitalisiertes, zentral gesteuertes Stellwerk und Ticketautomaten. „Man muss kein Nostalgiker sein, um die eine oder andere Dienstleistung zu vermissen“, sagt Ruzicka. Dies reiche von beheizten Wartehallen, in denen sich Fahrgäste früher aufhalten konnten bis zum Abbau der Arbeitsplätze in den Stellwerken und damit dem Wegfall des persönlichen Kontakts zu den Bahnmitarbeitern.
Der Wandel wurde schon damals skeptisch beobachtet. So gab es in Klein-Umstadt Anfang der neunziger Jahre eine Demonstration „gegen die Demontage des Bahnhofs“. Dieser hatte zu Haupt- und Nebengleis noch ein Ladegleis, das nur einem Zweck diente: Dem Verladen der Zuckerrüben, die von Bauern aus dem östlichen Landkreis nach Klein-Umstadt gebracht, dort auf Güterzüge geladen und zu den weiterverarbeitenden Betrieben befördert wurden.
Das Gleis sowie die Waggons vorzuhalten wurde für die Bahn unrentabel, sodass sie mit dem Nebengleis auch das Ladegleis zurückbauen ließ. Den kurzen aber ernsthaften Protest gegen die „Demontage“ hatte der Langstädter Frank-Ludwig Diehl in Bildern und Schriftstücken festgehalten. Der Kulturverein „Netzwerk Bahnhof Langstadt“, dem Alexander Ruzicka mit zwei weiteren Mitgliedern vorsteht, hat die wertvollen Zeitdokumente aufbewahrt. Seine Modellbahnen illustrieren die Geschichte, über die der Verein bei Veranstaltungen im alten Langstädter Bahnhof informiert.
„Viele wissen nicht mehr, dass es auch im Stadtteil Richen einen Haltepunkt gab, der von einem Schienenbus bedient wurde. Die Bürger aus Richen hatten sogar in Eigenleistung ein Wartehäuschen gebaut“, erzählt Ruzicka, dessen Leidenschaft für Modelleisenbahnen schon früh begann. Als Dreijähriger bekam er die erste kleine Eisenbahn vom Vater, mit dem er später das bisher größte Projekt – die Garmischbahn – baute.
Um den Bahnhof modellierten sie Berge mit Seilbahnen und Aussichtsplattformen, einen Marktplatz, Straßen und Bahnunterführungen. Es gibt Wanderwege und sogar einen Almabtrieb mit winzigen Kühen. Stolz ist Alexander Ruzicka auf seinen Miniatur-Karwendel-Express. Während die Modelle von Langstadt und Klein-Umstadt maßstabsgetreu den Originalen nachempfunden sind, war bei der Garmischbahn mehr Fantasie im Spiel.
„An einer Modellbahnlandschaft gibt es immer etwas zu verändern, zu ergänzen, zu reparieren. Als Modellbahnbauer wird man nie ganz fertig“, sagt Ruzicka und lacht. Sammler sind eben glückliche Menschen. mel
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Rubrik: Babenhausen und Umgebung
05.01.2016
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