Die Abiturienten, vor denen Miethe an der Bachgauschule sprach, kennen die Zeit der DDR nur noch aus dem Unterricht, selbst erlebt haben sie sie nicht. Gerade deshalb ist es wichtig, über die damaligen Zustände etwas zu erfahren. Geschichte wird lebendig, wenn sie so lebhaft und gelegentlich auch auf humorvolle Weise erzählt wird, wie Miethe es tat. Nicht ohne Grund lädt der Geschichtslehrer Michael Gremler immer wieder Zeitzeugen an das Oberstufengymnasium ein.
Auch Bachgauschüler dürfen nicht alles machen. Erlaubtes und Verbotenes wird ihnen von den Eltern und gelegentlich auch von den Lehrkräften vorgegeben. Dass zu Zeiten der DDR aber der Staat das Sagen hatte und mehr vorschrieb, als nur das Miteinander zu ermöglichen, erfuhren sie in Miethes Vortrag. Als Kind eines Parteifunktionärs war ihr der spätere Lebensweg nicht in die Wiege gelegt. „Politik war überall“, meint Miethe und belegt dies mit Bilder von ihrer Jugendweihe oder Zitaten aus Diktaten ihrer Schulzeit. Erste Zweifel am politischen System der DDR kamen in den Teenager-Jahren und sie wendete sich verstärkt der evangelischen Kirche zu. Hier fand sie Gleichgesinnte, mit denen Strategien entwickelt wurden, um das System zu umgehen. Aufgrund ihrer Aktivitäten wurde sie ab 1982 von der Stasi beobachtet. Ein Studium wurde ihr verwehrt. Ihr Weg führte sie schließlich nach Berlin, wo sie sich nach einigen Gelegenheitsjobs 1989 dem Neuen Forum anschloss. Eingesperrt hätten sie sich gefühlt, aber sie wollten die DDR nicht abschaffen, sondern reformieren. Diese Bewegung wurde dann aber von einer Massenbewegung überrollt, die mit dem Slogan „Wir sind ein Volk“ schließlich einen großen Anteil an der Wiedervereinigung hatte.
Ingrid Miethe bot einen Einblick in das Leben einer Person, die dem DDR-System Widerstand leistete und von der rasanten Entwicklung der Wendejahre schlichtweg überrollt wurde.
Was können Schüler aus dem Bericht einer DDR-Zeitzeugin lernen? Vielleicht nehmen sie es nicht mehr als so selbstverständlich, dass sie den Beruf ergreifen können, den sie möchten, dass sie reisen können, wohin sie wollen. Und vielleicht widerstehen sie verstärkt Bestrebungen, die ihnen die Freiheiten unserer Demokratie nehmen wollen. GO
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Rubrik: Babenhausen und Umgebung
02.02.2017
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