Ein Triptychon erklärt die Reformation

Musikalischer Festgottesdienst zur Einweihung des Glaskunstwerks in der evangelischen Kirche in Raibach

Die Sonnenstrahlen fallen auf die farbigen Glasscheiben und es leuchtet in kräftigem Grün, warmem Goldbraun und himmelfarbenem Blau. Da steht es nun, das Raibacher Reformations-Triptychon und zieht alle Blicke auf sich. Die kleine Raibacher Kirche ist voll, als am Sonntagvormittag der musikalische Festgottesdienst zu dessen Einweihung gefeiert wird.

Das 15. Jahrhundert war eine Zeit des Übergangs vom Mittelalter in die Neuzeit. Die Kindersterblichkeit war hoch, die Menschen hatten Angst vor der Verdammnis nach dem Tod. „Die katholische Kirche machte mit der Angst der Menschen Geschäfte“, sagt Pröpstin Karin Held. Sie konnten gegen Geld Messen lesen lassen oder Ablassbriefe kaufen. Gottes Vergebung ist käuflich, das sei die Einstellung gewesen. In dieser Zeit also machte sich der Mönch, Theologe und Professor Martin Luther viele Gedanken, wie er vor Gott bestehen könne. Und sei 1515, so Karin Held, im Römerbrief auf folgenden Satz gestoßen: „Der Gerechte wird aus Glauben leben (Römer 1,17).“ Da habe er erkannt, dass nicht die guten Taten, sondern der Glaube für den Menschen zentral ist, um vor Gott zu bestehen und dass Gott alle Menschen annimmt, wie sie sind. Bedingungslos. Auf dem Triptychon wird es dargestellt durch das Bild des Vaters, der seinen verlorenen Sohn in die Arme schließt. Eine  Szene voller Nähe und Liebe.

Die vier Soli

Luthers Rechtfertigungslehre fußt auf vier Kernsätzen, den vier Soli (solus = allein): Sola  Fide (allein der Glaube), Sola Gratia (allein die Gnade), Sola Scriptura (allein die Schrift) und Solus Christus (allein Jesus Christus). „Das Raibacher Triptychon fasst diese reformatorischen Grundlagen zusammen“, sagt Karin Held. Es sei ein „Geschenk“.
Die Reformation sei mehr als nur Daten, sie habe etwas „mit mir und meinem Gott, der uns anspricht, zu tun“, führt Raibachs Pfarrerin Michaela Meingast aus. In diesem Sinne soll das Glaskunstwerk dazu beitragen, sich mit der Reformation, Gott und dem Glauben auseinanderzusetzen. Martin Luther sei für seine Überzeugung eingetreten. „Und wir? Wir überlassen den öffentlichen Raum denen, die Angst schüren. Angst ist eine starke Waffe, sie lähmt und lässt uns nur in eine Richtung schauen“, so Meingast, „aber wir werden das Reformationsjahr nutzen, um erneut Zeichen zu setzen gegen die Angst.“
Das farbenfrohe Reformationstriptychon (Triptychon bedeutet dreifach gefaltet) besteht aus drei jeweils dreigeteilten Fenstern, die in Holzgestellen stehen. Entworfen und gestaltet hat es die Raibacher Glaskünstlerin Heike Jäger. „Für mich steht Luther für Worte“, sagt sie. Deshalb finden sich in den Scheiben Bibelverse und Hinweise darauf, die sich je nach Licht anders lesen lassen. Dazu kommen Symbole, zum Beispiel eine Weltkugel, und Bilder. Ein weißes Kreuz verbindet die einzelnen Elemente, das auch dann noch sichtbar ist, wenn das Triptychon zusammengeklappt ist. Die Scheiben sind einzeln lösbar, können untereinander ausgetauscht und so verpackt werden, dass die Kisten auch für Frauen, die ja häufig Kirchenvorsteherinnen sind, gut tragbar sind. Denn das Triptychon geht ab Mitte Januar auf Wanderschaft durch das Dekanat und sogar bis nach Bad Vilbel.
An dem 10.000 Euro teuren Glaskunstwerk haben sich das Evangelische Dekanat Vorderer Odenwald, Sparkassenstiftung, Kirchengemeinde Raibach, der Reformationsdekade-Fonds, die EKHN-Stiftung und der Verein „Andere Zeiten“ beteiligt. Der Festgottesdienst wurde von Christiane Wolkenhauer (Orgel), Johannes Heppenheimer (Schlagzeug), Meike Willner (Gesang) und Markus Striegel (Posaune) stimmungsvoll gestaltet.
Mit dem Raibacher Triptychon beginnen die Reformationsfeierlichkeiten des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald. Am 31. Oktober 1517 hat Martin Luther seine berühmten 95 Thesen in Wittenberg veröffentlicht. Der Reformationstag 2016 läutet das 500. Reformationsjubiläumsjahr ein.

(Text/Fotos: S. Rummel)

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