Information und Kritik: Bürgerversammlung „Alte Gärtnerei” in der Stadthalle Babenhausen

Rund 250 Bürger interessierten sich für die Vorstellung der Projektplanung „Alte Gärtnerei“, die im Rahmen einer Bürgerversammlung in der Stadthalle genauer erläutert wurde.

Die Vorstellung der Entwurfsplanung des angedachten Bauvorhabens „Kirchgärten – Alte Gärtnerei“ (An der Stadtmauer/Martin Luther Straße) war der einzige Tagesordnungspunkt der Bürgerversammlung, die am Montag (22.) rund 250 Besucher in die Stadthalle Babenhausen lockte.

Stadtverordnetenvorsteher Friedel Sahm (CDU) begrüßte die zahlreichen Bürger und erläuterte seine Gründe, warum er zu dieser Bürgerversammlung eingeladen hat. Ausgangspunkt war die Stadtverordnetenversammlung am 18. Dezember 2017, als dieses Bauvorhaben im Stadtparlament beschlossen werden sollte, nachdem am 22. des Vormonates erst die Unterlagen der Drucksache den Stadtverordneten zugestellt wurden. Da sich in der kontrovers geführten Diskussion keine Lösung abzeichnete und die Stimmung auf dem Tiefpunkt war, so Friedel Sahm, wurde ihm klar – wir müssen die Meinung der Bürger einholen.  
Bürgermeister Achim Knoke (SPD) erläuterte den Werdegang der Planung. Eine ursprünglich angedachte reine Wohnbebauung wurde in der Stadtverwaltung von Stadtplaner und Wirtschaftsförderung als nicht zielführend betrachtet. Reines Wohnen sei nicht zukunftsweisend, führte der Rathauschef aus und erläuterte die Gründe für eine Ansiedlung von Gewerbe am Rande der historischen Altstadt von Babenhausen. Der Bummelgass die Frequenz bringen und gängige Größen an barrierefreier Verkaufsfläche zu  schaffen seien neben dringend benötigter Gewerbesteuereinnahmen die Triebfeder für eine Schaffung von einer Kombination von Wohnen und Gewerbe, erläuterte Achim Knoke.
Nach rund einer halben Stunde stellte Claus Schunk, Prokurist der Projektplanungsgesellschaft, den aktuellen Planungsstand vor. Seine computerunterstützte Präsentation beinhaltete das Volumen des geplanten Bauvorhabens, zeigte Planzeichnungen von Gebäude und Tiefgarage. In seiner Vorstellung ging Schunk auch auf mögliche Nutzer des gewerblichen Teiles ein. Es gibt eine konkrete Anfrage eines Arztes und einer Apotheke, führte Schunk aus und auch eine lose Anfrage eines weiteren Arztes und eines Reha-Sportzentrums seien ebenfalls schon vermerkt. Aus Sicht eines Investors schilderte Schunk auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Erfordernisse für solch ein Projekt. Nach der rund dreißigminütigen Präsentation erhielt Claus Schunk für seine Präsentation Applaus.
Die nachfolgende Aussprache gab den Bürgern die Gelegenheit Fragen zu stellen und dies wurde auch ausgiebig wahrgenommen. Die Projektgesellschaft, der Bürgermeister und auch Mitarbeiter der Verwaltung konnten einige Fragen sofort klären, andere blieben unbeantwortet. So konnte der Wunsch von Edith Kurtz, die von einem Architekten erstellte Visualisierung eines der Gebäude, auf der Leinwand zu zeigen nicht erfüllt werden. Auch die gezielte Forderung „Wir wollen das Bild sehen“ blieb erfolglos, da der Projektplaner diese Visualisierung nicht auf seinem tragbaren Computer abgespeichert habe, da es sich um einen veralteten Planungsstand handeln würde und die neue Planung dieser Visualisierung nicht mehr entspreche. Stadtverordnetenvorsteher Friedel Sahm ging auf diese Thematik ein und fragte „Wie sollen die Stadtverordneten entscheiden, wenn sie die Bilder nicht kennen?
Die Frage nach der tatsächlichen Höhe der Gebäude konnte in der Aussprache geklärt werden. 15,96 Meter haben die Kammbauten entlang der Straße „An der Stadtmauer“ die rückwärtigen Gebäude haben nach aktuellem Planungsstand eine Höhe von 9,60 bis 12,90 Meter. Wie Claus Schunk erläuterte treibt der gewerbliche Teil das Gebäude in die Höhe, man sei aber für das Gewerbe im Erdgeschoss bereits von einer ursprünglich geplanten Deckenhöhe von 6,50 Meter abgekommen und plane jetzt nur noch mit 4 Metern.
Als zweiter Bürger meldete sich Frank Ludwig Diehl zu Wort. Er ging in seinem Wortbeitrag auf die Projekte ein, die ebenfalls am Rande der historischen Altstadt „etwas ungünstig“ realisiert wurden. Der Kindergarten in der Ludwigstraße und die Bebauung auf dem Gelände des ehemaligen Feuerwehrhauses nannte er als Beispiele, die in Absprache des Denkmalschutzamtes mit „Brachialgewalt“ modern gestaltet wurden. Auch auf den sogenannten Frequenzbringer ging Frank Ludwig Diehl ein. Auch dieser sei in einem Einzelhandelskonzept der Stadt vorgesehen und sollte auf dem ehemaligen Feuerwehrgelände realisiert werden. Was an Gewerbeanteil allerdings verblieben wäre, sei ein 16qm großer Verkaufsladen – dies sei wohl kein Frequenzbringer. Es sei gut, dass etwas passiert und die Stadt belebt wird – aber die Planung der Gebäude bezeichnete Diehl als sehr klotzig und übertrieben groß, dies halte er für die kleinteilige Altstadtbebauung für abträglich.
Im Laufe der Aussprache wurden neben fachlichen Fragen zum Procedere (vorhabensbezogener Bebauungsplan, Aufstellungsbeschluss, Satzungsbeschluss, etc.) auch die Situation der direkten Anlieger besprochen. Edith Kurtz stellte sich als Sprecherin der „Bürgerwehr Kirchgärten“ vor, die sich gegen die geplante Bebauung wehren. In ihrem Beitrag wünschte sie sich eine Bebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern. Eine derart verdichtete Bebauung in der nähe der Grundschule des neu erstellten Kindergartens stellte sie in Zweifel und auch auf die Verkehrssituation ging sie ein, die jetzt schon prekär und unerträglich sei.
Die Beeinträchtigung der Lebensqualität, nicht nur während der Bauphase, befürchteten ebenfalls einige Anwohner - denn bereits bei den aktuell vorgenommenen Abrissarbeiten an Kindergarten und Grundschule sei es an den bestehenden Gebäuden in der Nachbarschaft zu Rissen gekommen (um die sich von verantwortlicher Stelle keiner kümmern würde). Was passiert dann erst, wenn die riesige Baugrube für die Tiefgarage erstellt wird?
Auch die Verkehrssituation, die sich durch den Neubau des Kindergartens ohnehin verstärken würde und die Sicherheit der Kinder auf dem Schulweg wurden anschließend erörtert. Hier bestätigte der Bürgermeister „Es wird neue Verkehrskonzepte geben müssen“. Auch der Sorge, dass die katholische Kirche hinter den neuen Gebäuden verschwinden würde, erteilte Claus Schunk eine Absage „Das wird nicht passieren“.
Nach etwa neunzig Minuten beendete Friedel Sahm die Aussprache. Er lud die Bevölkerung zur kommenden Stadtverordnetenversammlung, am 1. Februar um 19.30 Uhr, in den Sitzungssaal des Babenhäuser Rathauses ein und prognostizierte eine schwierige Entscheidung für die Stadtverordneten, da man an der Bürgerversammlung gesehen hätte, wie kritisch aber auch wie unterstützend dieses Projekt gesehen werden kann.

 

Hintergrund: Planungsumfang Projekt „Alte Gärtnerei“
Die Gesamtgrundstücksfläche des Vorhabens beträgt fast 6.500 Quadratmeter. Mehrere Grundstücke und mehrere Grundstückseigentümer müssen bei dem Projekt unter einen Hut gebracht werden. Das geplante Bauteil A (entlang der Straße „An der Stadtmauer“) sieht die Kombination Gewerbe (EG und 1. OG) und Wohnen vor. Insgesamt soll hierbei eine Gewerbefläche von über 2.600 Quadratmeter entwickelt werden. Dreißig Wohnungen sieht der aktuelle Planungsstand in den vier Kammbauten vor. Das Volumen, insbesondere die Höhe dieser Kammbauten (16 Meter hoch) rückte wie bereits im Bauausschuss und in der Stadtverordnetenversammlung nun auch in der Bürgerversammlung in den Fokus der Diskussionen. Das Bauteil B (Anfahrt über die „Martin-Luther-Straße“) soll 37 Wohnungen in sieben Häusern umfassen. Eine Tiefgarage ist für das gesamte Bauprojekt vorgesehen. Die „Großgarage“ soll Platz für insgesamt 189 Stellplätze bieten. Zwanzig dieser Stellplätze sollen der Stadtverwaltung dauerhaft zur Verfügung gestellt werden. Die Projektplanung sieht zusätzlich weitere 35 oberirdische Parkplätze vor.

 

Offene Fragen Stadtentwicklung und Projekt „Alte Gärtnerei“
Eine rund dreißigminütige Präsentation des aktuellen Planungsstandes und anschließend eine neunzigminütige Aussprache – und doch konnten einige Fragen nicht beantwortet werden und einige Themen werden auch nach der Bürgerversammlung unterschiedlich gesehen und bewertet. Es bleibt spannend...
Wer oder was soll dieser Frequenzbringer eigentlich sein? Welches Gewerbe, welches Konzept kann die Altstadt und die Bummelgass beleben? Reichen für einen solchen Frequenzbringer denn auch die geplanten Parkplätze aus? Gibt es ein städtebauliches Konzept für eine einvernehmliche Entwicklung der Projekte „Alte Gärtnerei“, „ehemalige Brauerei“ und „Konversion Kaserne“? Wie erfolgt die Zusammenführung der verschiedenen Quartiere? Wie kann ich mir ein fast 16 Meter hohes, etwa zehn bis elf Meter breites und etwa 29 Meter langes Bauwerk eigentlich vorstellen? Direkt vis a vis der historischen Altstadt, mit ihrer Stadtmauer. Wie werden zukünftig die Verkehrsströme (Anwohner, Schulen und Kindergarten) sinnvoll gesteuert? Wäre es für die Stadt nicht sinnvoll gewesen, die vom Investor bereits gekauften Grundstücke, im Rahmen des gesetzlichen Vorkaufsrechtes zu erwerben? Wie stellen sich unsere Stadtplaner denn Babenhausen im Jahr 2025 / 2030 vor? Welche Möglichkeiten bieten sich in der Zukunft (freiwerdende Gelände) und auf welche äußeren Einwirkungen muss man sich möglicherweise vorbereiten (Umzug Gymnasium an die OSB)?

(hz)

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