Stellungnahme Rathaus Babenhausen: Innerstädtische Entwicklung der Gärtnerei Grünewald

In Anbetracht der öffentlichen und politischen Diskussion zur künftigen Entwicklung des Areals der Gärtnerei Grünewald und der Möglichkeit vorschneller politischer Entscheidungen muss aus Sicht der Stadtentwicklung zwangsläufig und dringend nochmals hinterfragt werden, wie mit einer Fläche in dieser Lagegunst und Größe sinnvoll umzugehen ist. Was ist laut Regionalplan Südhessen vorgesehen, welche Vorgaben hat sich die Stadt nach ihrem gesamtstädtischen Flächennutzungsplan für die kommunale Entwicklung selbst auferlegt?

Welche Bebauung lässt der vorhandene Bebauungsplan zu? Welche Entwicklungskonzepte liegen vor und welche der sich ergebenden Möglichkeiten ist für die Entwicklung der Gesamtstadt zielführend? Der rechtskräftige Bebauungsplan setzt für das Gärtnereigelände hauptsächlich eine „Fläche für die Landwirtschaft - Erwerbsgärtnerei“ sowie eine „Grünfläche – Dauerkleingärten“ fest. Jede andere Entwicklung benötigt also einen neuen Bebauungsplan. Die Festlegung einer neuen Entwicklung liegt nun aber ausschließlich in der Hoheit der Stadt. Wie schon bei der Kaserne ist daher zu überlegen, welche Entwicklung dem Wohle der Stadt bestmöglich dient. Für die Kaserne galt die Prämisse: „So viel Gewerbe wie möglich, so viel Wohnen wie nötig“. Für das Gelände am Rande der Bummelgasse haben die Experten ebenso sehr deutlich gesagt, dass das Gärtnereiareal für die Entwicklung der Innenstadt zu wertvoll sei, als dass es lediglich zum Wohnen genutzt werden sollte. Daher wurde aus Sicht der Stadtentwicklung empfohlen, an dieser Stelle eine Mischnutzung anzustreben. Es wird erwartet, dass Impulse für die Belebung der Bummelgasse durch kleinstadt- und innenstadttypisches Gewerbe in unmittelbarer Nähe zur Altstadt und in zeitgemäßen Ladenlokalen erfolgen, die auch die Unzulänglichkeiten der vorhandenen Läden der Altstadt (zu klein, nicht barrierefrei) für die Ansiedlung größerer Geschäfte (die anderenfalls Flächen vor den Toren der Stadt besetzen) kompensieren.
Innerstädtische Entwicklung der Gärtnerei Grünewald
Durch mehr Publikumsverkehr können vorhandene Ladengeschäfte wieder attraktiver und gewinnbringender werden. Zur nachhaltigen Belebung einer Innenstadt erfordert es allerdings den Mut, auch neue Wege zu gehen, Kompromisse einzugehen und Veränderungen zuzulassen:
Eine Belebung bedeutet häufig beispielsweise mehr Verkehr, mehr Autos, mehr Stellplatzbedarf, der geregelt werden muss. Die derzeitige Planung sieht hierzu nicht nur die Deckung des durch die Neubebauung ausgelösten Bedarfs vor, die geplante Tiefgarage würde darüber hinaus auch einen Beitrag zur Lösung der innerstädtischen Parkplatzprobleme leisten.
Noch ist Zeit, Antworten auch auf weitere diskussionswürdige Problematiken zu finden. Bereits in intensiven Gesprächen beantwortet wurden die Belange des Denkmalschutzes, der in der Nähe der historischen Altstadt ein waches Auge auf die Entwicklung hat.
Welche Nutzung des Areals ist also die Beste zum Wohl unserer Stadt in der Zukunft? Die Befriedigung von Wohnbedürfnissen durch ein Wohn- und Schlafquartier auf 5.000 m² in unmittelbarer Nähe der Bummelgasse? Entstehen hierdurch ausreichend Impulse für die Geschäftswelt? Wird hierdurch die Attraktivität der Altstadt für Besucher und Kunden verbessert?
Wohnen brächte zwar zusätzliche Kaufkraft und Einkommensteueranteile, wäre aber in der Gesamtschau weniger attraktiv als Gewerbe, das zudem deutlich weniger Infrastrukturkosten verursacht. Die geringeren Impulse für die
Innenstadt ließen zudem weiteres Potential an Gewerbe-steuereinnahmen ungenutzt. Fehlende Einnahmen würden den kommunalen Sparzwang weiter erhöhen.
Dabei ist die beste Entwicklung eigentlich vorgezeichnet. Die seit Sommer 2015 im Vorfeld zu politischen Beschlussvorlagen von der Verwaltung geführten Investorengespräche mit dem Ziel einer Nutzungsmischung zwischen Gewerbe und Wohnen basierten von Anfang an auf den entsprechenden Vorgaben des von der Stadtverordnetenversammlung im Jahre 1999 beschlossenen und vom RP Darmstadt genehmigten Flächennutzungsplanes. Nur aus diesem gesamtstädtischen Plan heraus hat die Verwaltung Bebauungspläne gemäß § 8 BauGB zu entwickeln. Für eine andere Nutzung des Gärtnereiareals gab es von politischer Seite bis dato weder Hinweise, noch Anträge, geschweige denn Beschlüsse. Zudem war seitens der Verwaltung mehrfach darauf hingewiesen worden, dass nach der Entscheidung gegen Einzelhandel auf dem ehemaligen Feuerwehrgelände und für den dortigen Schwerpunkt Wohnen nun das Areal der Gärtnerei die letzte Chance darstelle, eine große Fläche für eine wirksame Belebung der oft kritisierten Leere der Bummelgasse zu aktivieren.
Im Zuge der Neubesetzung der politischen Gremien nach der Wahl 2016 war das Nutzungsthema der Gärtnerei dann auch nicht neu aufgerufen worden, da die Zielrichtung ja offenbar auch der Politik klar gewesen sein musste.
In der jüngsten Vergangenheit wurden nun neben der Kritik an Nutzung und Höhe der vorliegenden Investorenplanung entgegen der üblichen Praxis gefordert, im Vorfeld des Aufstellungsbeschlusses zur Änderung des alten Bebauungsplanes Vorabinformationen für die politischen Gremien bereit zu stellen und eine Öffentlichkeits- beteiligung durchzuführen.
Dies überrascht, da eine Beteiligung der Öffentlichkeit in Babenhausen regelmäßig und ohne politische Beanstandung im Rahmen des gesetzlich hierfür vorgesehenen Verfahrens stattfindet. Diese Beteiligung erfolgt auf Basis eines Offenlagebeschlusses durch öffentliche Auslegung des Bebauungsplanent- wurfes im Rathaus.
In einem zweistufigen Planverfahren wird zudem noch eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung vorangeschaltet und könnte wahlweise noch durch eine Informationsveranstaltung ergänzt werden. All dies erschien bisher politisch nicht diskussionswürdig.
Selbstredend kommt es während der Bauphase eines Projektes in der direkten Nachbarschaft zu Beeinträchtigungen verschiedenster Art. Aufgrund der nach Abschluss der Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlichen gerechten Abwägung zwischen privaten Belangen des Einzelnen und öffentlichen Belangen der gesamten Bürgerschaft sollten Befürchtungen über negative Auswirkungen der zukünftigen Entwicklung jedoch nicht mehr auftreten. Der Stadtverordnetenversammlung obliegt letztlich die Aufgabe dieser Abwägung.
Nun wird für das Gärtnereiareal ein politischer Antrag diskutiert, der einen Bebauungsplan für ein „allgemeines Wohngebiet“ vorsieht, wie er für ein Neubaugebiet auf der „grünen Wiese“ typisch ist. Nach dem Gesetz könnten auf dem Areal der Gärtnerei somit bereits solche Läden und nicht störende Gewerbebetriebe künftig unzulässig sein, die über die Versorgung der direkten Nachbarschaft hinaus beispielsweise Kunden aus den Baugebieten Lachewiesen, Ost, aus der Kaserne oder aus den anderen Babenhäuser Stadtteilen anziehen.
Hinzu kommt, dass dieser Bebauungsplan zwar vorhabenbezogen und damit von Investor finanziert werden soll, das Vorhaben nach den aktuellen politischen Wünschen aber nicht Bestandteil des Beschlusses sein soll.
Dies ist bereits der zweite Anlauf, den Bebauungsplan in eine andere Richtung zu lenken. Im ersten Anlauf wurde politisch die Entwicklung durch ein „besonderes Wohngebiet“ gemäß § 4a der Baunutzungsverordnung gewünscht, was für die Fortentwicklung gründerzeitlicher Wohnquartiere in Großstädten ja angemessen sein mag, so jedoch keinesfalls auf dem Gärtnereiareal anwendbar ist.
Dass dem so ist, wurde politisch erst nach einer entsprechenden Bestätigung durch die Bauauf-sicht in Darmstadt akzeptiert, hier war das Vertrauen in die Experten vor Ort leider nicht gegeben.
Wie erwähnt, hat die Stadt die schwierige Aufgabe, das Wohl Einzelner gegen das Gemeinwohl gerecht abzuwägen, um zukunftsweisend für 17.000 Bürgerinnen und Bürger entscheiden zu können. Gestaltung, Baumasse und Höhe von Bauvorhaben werden hierbei diskutiert und mit dem Investor verhandelt, Erschließung, Verkehr und Nutzung sowie der Denkmalschutz werden berücksichtigt. Die entsprechenden Behördenbeteiligungen erfolgen möglichst früh, um nicht geneh-migungsfähige Planungen rechtzeitig auszuschließen, spätestens jedoch parallel zur Öffentlich-keitsbeteiligung.
Dabei sind viele Interessen unter einen Hut zu bringen. Der Eigentümer möchte möglichst gut verkaufen. Der Investor möchte möglichst billig kaufen und etwas schaffen, das sich rentiert und auch funktioniert. Die Stadt möchte zukunftssichere Stadtentwicklung mit dem Fokus auf die Aufstufung zum Mittelzentrum betreiben. Um dies sicherzustellen, benötigt sie eine attraktive und konkurrenzfähige Innenstadt, die langfristig Anziehungspunkt für Kunden, Besucher und Neubürger bleibt. Zugleich muss sie kommunale Einnahmen erzielen. Sie hat sich um die gute Erreichbarkeit der Innenstadt ebenso zu kümmern wie um die Bereitstellung von Parkraum und um sichere Wege zu Kindergarten und Schule. Die Gesamtentwicklung darf nicht aus den Augen verloren werden, dabei sollen zugleich gewachsene Nachbarschaften geschützt werden. Welche innerstädtische Bau- und Nutzungsdichte ist also für das Quartier an der Schnittstelle zwischen dichter Altstadt und lockerer 60er-Jahre-Bebauung sinnvoll? Und wo sind die Grenzen der Höhenentwicklung zu suchen, um Gewerbe- und Wohnnutzung zu vereinen?
Leider wird in dieser Diskussion häufig außer acht gelassen, dass vorgelegte Investorenplanungen nicht immer seitens der Verwaltung vor der Vorlage an die politischen Gremien „zu Ende“ verhandelt werden können. Hierdurch soll vermieden werden, dass aufgrund eines „rigorosen“ Verhaltens der Verwaltung im Vorfeld einer politischen Diskussion bauwillige Investoren abspringen, obwohl sie die 1999 gesetzten politischen Vorgaben einhalten. Hier ist es ureigene Aufgabe der politischen Gremien, letztlich in der politischen Debatte die gewünschten Grenzen zu setzen: maßvolle Höhenreduzierung und die sinnvolle Begrenzung gewerblicher Nutzflächen bzw. Sortimente sind nur zwei Beispiele für Änderungsmöglichkeiten, ohne den Blick auf die Wirtschaftlichkeit der Investorenprojekte zu verlieren und damit über das Ziel hinauszuschießen.
Daher sind spontane politische Anträge, wie ein solcher derzeit vorliegt, wenig zielführend. Vielmehr ist Expertise in der Stadtentwicklung gefragt, ebenso wie die Berücksichtigung inzwischen aufgestellter Entwicklungskonzepte zur Gesamtstadt und zum Einzelhandel.
Wir entwickeln mit 60 Hektar Fläche und einem denkmalgeschützten Kern die Kaserne mit einem bedeutenden Anteil an Wohnen. Auch die Beschlusslage an der Frankfurter Straße (Boßwenhain) sieht dort eine starke Wohnnutzung vor. Ein „allgemeines Wohngebiet“ in unmittelbarer Nähe zur historischen Innenstadt mit derlei vielfachem Potenzial für alternative Nutzungen wie auf dem Gärtnereiareal wird jedoch aus den beschriebenen Gründen von kompetenter Seite kritisch gesehen. Das Areal der Gärtnerei bleibt für einen Schwerpunkt Wohnen zu wertvoll.
Hoffen wir hierzu auf eine zukunftsweisende Entscheidung zum Wohle der Gesamtstadt. Oder würden Sie die innerstädtische Attraktivität künftig lieber draußen auf der grünen Wiese sehen?
    Joachim Knoke,
    Bürgermeister

Kommentare

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14. März 2018 - 11:12

Erstaunt!

Es ist erstaunlich, dass man sich immer noch ernsthaft fragt, ob Kammbauten mit über 15 Metern Höhe und einem ungewissen Gewebeanteil in Größe und Art die richtige Art der Bebauung auf dem Grünewaldgelände ist. Meines Erachtens hat die Politik und die Bürger in zahlreichen Sitzungen, Stadtverordnetenversammlung und insbesondere in der Bürgerversammlung aufgezeigt, dass eine Wohnbebauung mit den zulässigen Gewerbeansiedlungen am sinnvollsten ist und auch von der Mehrheit gewünscht wird.



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