Eine Spurensuche: In den frühen Morgenstunden des 12. April 1944 starteten in England B-17 Bomber, die sogenannten „Fliegenden Festungen“ und B-24 „Liberator-Bomber“ in Richtung Deutschland. Ihr Ziel war Schweinfurt und die dort befindlichen Industrieanlagen der Kugellagerhersteller. Begleitet wurden die Bomber von Langstrecken-Begleitjäger des Typ P-38 Lightning, die sogenannten „Gabelschwanzteufel“. Über Frankreich trifft die Bomberarmada auf eine nicht vorausgesagte Schlechtwetterfront. Man beschließt den Angriff abzubrechen und die Bomber nehmen wieder Kurs auf England. Die Begleitjäger fliegen allerdings weiter, zur „freien Jagd“.
Etwa zur gleichen Zeit klettern in Wiesbaden-Erbenheim die Piloten der 6. Staffel des Jagdgeschwaders 27 in ihre Messer- schmitt-Jäger. Im Gefechtsstand ist allerdings gerade einige Verwirrung entstanden, denn der Bomberstrom hat sich offenbar getrennt. Die Flugbeobachter erkannten nicht, dass sich nur noch die Begleitjäger nähern, während die Bomber abdrehten. Daher erhalten die deutschen Piloten den Befehl am Boden zu bleiben bis die weitere Entwicklung klar ist. Die beiden Piloten Kurt Schwalbe und Hans Hermann Hüter sind bereits in der Luft und sollen sich nun mit anderen Flugzeugen von den Flugplätzen Langen Diebach und Babenhausen vereinen. Als man im Gefechtsstand bemerkt, dass die vermeintlichen Bomber viel zu schnell fliegen, und es sich um Jagdflieger handeln muss, ist es für eine Warnung an Schwalbe und Hüter zu spät.
Für die weiteren Geschehnisse gibt es Augenzeugenberichte, die von Uwe Henn (Stockstadt/Main) zusammengetragen wurden. Sein Vater, Reinhold Henn, war einer der Zeitzeugen. „Am 12. April um die Mittagszeit sah ich wie sich ein Flugzeug von Norden kommend entlang des Mains auf Stockstadt zubewegte. Ich stand auf der Gersprenzbrücke am Zollhaus, beim näher kommen sah ich, dass es sich um ein Messerschmitt Jagdflugzeug handelte. ... Ich schätzte die Höhe der Messerschmitt auf 500 bis 800 Meter, als plötzlich wie aus heiterem Himmel, ein ganzer Pulk von Lightnings von hinten oben auf die Messerschmitt herabstießen. Ich sah den Abschus der Messerschmitt ganz genau. Nach einem Feuerstoß aus den Maschinengewehren einer Lightning ging die Messerschmitt rauchend in einer Rechtskurve zu Boden. ... Der Aufschlag erfolgte nördlich der heutigen Autobahn A3.“
Walter Roth aus Schaafheim war ein weiterer Augenzeuge der „Starke Luftkämpfe über Babenhausen“. Er schildert seine Eindrücke des 12. April 1944: „Ich stand auf einer Anhöhe in der Nähe des Wartturmes in Schaafheim, dort hat man die ehemaligen Bierkeller zu Luftschutz- bunkern umfunktioniert. Wir beobachteten den Luftraum und sahen ein Flugzeug welches Rauch hinter sich herziehend in Spiralen zur Erde stürzte. Ich machte mich zusammen mit meinem Freund, auf dessen Fahrradgabel sitzend, in die Richtung des Absturzortes. Wir fanden im Wald liegend die Absturzstelle. Dort lag die Messerschmitt auf dem Boden. Feuer hatte den vorderen Teil der Maschine bis über die Motorhaube verbrannt. Es waren Männer mit einem Leiterwagen vor Ort, die den toten Piloten in seinem Fallschirm eingewickelt nach Babenhausen brachten.
Hans Hermann Hüter hätte zehn Tage später seinen 21. Geburtstag gefeiert. Besonders tragisch ist in diesem Zusammenhang, dass Hans Hermann Hüter an diesem Tag eigentlich nicht hätte fliegen müssen. Er sprang für einen Stubenkameraden ein, der an diesem Tag seine Verlobung feierte. Hüter stammte aus Südheim bei Hannover und wurde auf dem Friedhof in Stockstadt beigesetzt.
Kurt Schwalbe, im Oktober 1921 in Schleiz (Thüringen) geboren, verstarb im Alter von 22 Jahren. Er war in diesen jungen Jahren bereits Unteroffizier und Rottenführer (ein Rotte sind zwei Flugzeuge). In der Namentlichen Verlustmeldung des Jagdgeschwaders 27 wird aufgeführt, dass Schwalbe auf dem Friedhof in Babenhausen beigesetzt werden soll. Weitere Unterlagen über eine Beerdigung lassen sich allerdings nicht auffinden. Die Grabstätte von Kurt Schwalbe befindet sich auf dem Bergfriedhof in Schleiz. hz
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