Die Jungs und Mädchen sind also bestens vorbereitet in den Langstädter Bahnhof gekommen, wo sie an diesem Vormittag selbst in die Rolle einer Fledermaus schlüpfen können. Möglich wird dies durch das interaktive Spiel „Batty“, eine Fledermaussimulation, die vier Studenten der Darmstädter Hochschule im Studienfach „Interactive Media Design“ entwickelt haben.
Um sich zu fühlen wie eine Fledermaus, muss zunächst einmal die Umgebung stimmen. Das Bahnhofsgebäude in Langstadt ist dafür wie geschaffen, denn die Tiere quartieren sich gern in alten, leerstehenden Gebäuden ein. Da Fledermäuse in der Nacht jagen und anstelle ihrer Sehkraft ein spezielles Echoortungssystem zur Orientierung benutzen, dürfen sich auch die Spieler nur in der Dunkelheit bewegen. Doch wie soll man mit verbundenen Augen durch einen Raum navigieren und dazu noch bestimmte Objekte treffen? Die Lösung liegt in einem Helm, den die Studenten Arif Basaran, Norman Flauaus, Ruven Sprenger und Nadine Mlaka im zweiten Semester ihres Bachelor-Studiengangs entwickelt haben.
Der Helm simuliert die Wahrnehmung von Fledermäusen, die sich von der menschlichen dadurch unterscheidet, dass die Tiere nicht nur Schallwellen aufnehmen, sondern sie auch aktiv aussenden. Ist die Umgebung frei von Barrieren, dauert es entsprechend lang, bis der Schall zu ihnen zurückkommt. Trifft er aber auf einen Widerstand, verkürzen sich die Zeitabstände. Zudem erkennen sie an den reflektierten Ultraschallwellen, ob sich vor ihnen ein Beutetier oder ein Hindernis befindet. Sie errechnen aus den Informationen quasi ein Bild. Das alles spielt sich in Nanosekunden ab.
Die Batty-Spieler haben mehr Zeit. Das fehlende Sinnesorgan ersetzen sie durch einen Schalter. Wird er gedrückt, sendet der Helm Schallwellen aus, die schnell oder langsam zurück-kommen. Der elfjährige Ben darf den Helm als Erster aufsetzen und den Spielparcours durchlaufen. Als er sich Kopfbedeckung und Augenbinde abnimmt, wird er von seinen Mitschülern mit Fragen bestürmt. Ben erklärt: „Wenn man den Schalter drückt, und ein Hindernis ist in der Nähe, machte es ganz schnell klackklackklack. Ist alles frei, hört man ein langes Klaaaack.“
Für die technischen Details interessiert er sich nicht so sehr. Viel interessanter findet er die Geschichte, die der Simulation erst den spielerischen Rahmen gibt. Der Spieler ist Fledermauskind „Batty“, das von seinem Opa zur ersten Flugstunde geschickt wird. Im Wald soll es Fliegen fangen und sich dabei vor den Baumstämmen in Acht nehmen. Im Sumpf trifft Batty auf einen Frosch und auf eine andere kleine Fledermaus, die ihre Hilfe braucht. An dieser Stelle komme der Spieler in einen Konflikt.
„Batty muss eine Entscheidung treffen: Befolgt sie die Anweisung ihres Opas und fliegt nach Hause oder hilft sie der anderen Fledermaus“, erläutert Spieleentwickler Arif Basaran. Neben der Kernaufgabe, eine physikalische Simulation zu entwickeln, ist den Studenten ein spannender Spielaufbau gelungen. „Kinder sind die besten Probanden. Ihr Feedback ist ehrlich und direkt. Sie sagen uns unverblümt, was ihnen gefällt und was nicht.“
Nur vier Monate blieben den Studenten für Codierung und Programmierung des Spiels, für den Bau des Helms und dem Spielkonzept, das die übrigen Teilnehmer auf einer Videowand verfolgen können. „Batty“ ist Teil der Ausstellung „Station Heimat“, die im Dieburger Schloss Fechenbach noch bis 23. November zu sehen ist. Sie wurde von Klaus Schüller mit konzipiert, der zugleich Mitglied im Vorstand des Vereins „Netzwerk Bahnhof Langstadt“ ist. Vorrangiges Ziel sei es, die Hochschularbeit aus den Unisälen hinaus in die Region zu bringen, sie sichtbar und spürbar zu machen. Die Langstädter Nabu-Ortsgruppe ergänzte die zweitägige Simulation mit einer Ausstellung über die echten „Battys“. Biologe Dirk Alexander Diehl stand als Experte für Fragen rund um Fledermäuse zur Verfügung. mel
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Rubrik: Babenhausen und Umgebung
24.11.2014
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