NABU Kreisverband Dieburg: Willkommen im „Menschenzeitalter“

Fakten, Zahlen, Trends: Naturschützer bewerten das vergangene Jahr

Reges Treiben beim Treffen der Naturschützer.

Beim Naturschutz-Jahresrückblick 2015 zog der NABU-Kreisvorsitzende Dr. Lothar Jacob Bilanz, nachdem Kreisvogelschutzbeauftragter Fritz Fornoff eine Übersicht über die Aktivitäten des Jahres 2016 gegeben hatte. Ein Hauptaugenmerk der Naturschutz-Bilanz 2015 lag auf der Weltklimakonferenz in Paris und der Frage, wie man eine Verschlechterung der Lebensbedingungen weltweit vermeiden kann. Paris und die Ergebnisse weiterer Konferenzen zum Klimaschutz gaben letztes Jahr Anlass zur Hoffnung. In einer Präsentation vor NABU- und HGON-Mitgliedern und weiteren Interessierten schilderte Jacob detailreich seine umfangreiche Recherche über das vergangene Jahr.

„Einzelaspekte wie erneuerbare Energien, Artenschutz und Artenvielfalt, Schutz von Lebensräumen und Landwirtschaft“, so Jacob, „sind eng mit dem Klimaschutz und Klimawandel vernetzt, alle Faktoren beeinflussen sich gegenseitig“. Erstmals gebrauchte er den Begriff „Anthropozän“, das Menschenzeitalter. Seit der industriellen Revolution prägt der Mensch die Erde deutlich sichtbar und verursacht massive Veränderungen in der uns umgebenden Lufthülle. Fossile Brennstoffe und eine veränderte Landnutzung setzen sehr viel Treibhausgase in die Atmosphäre frei. Teilweise wieder in den Ozeanen chemisch gebunden führt dies zur Übersäuerung der Ozeane, wodurch die Verfügbarkeit von Kalk einschränkt wird. „Dies verringert zum Beispiel das Wachstum der Muschel- und Schneckenschalen und des Außenskeletts von Krustentieren, was wiederum die Fischerei negativ beeinflusst“.
Nicht nur der CO2-, auch der Quecksilber-Ausstoß wird insbesondere von Braunkohlekraftwerken verursacht. Zusammen mit Feinpartikeln und Stickoxiden führen so die „Abfallstoffe“ bei der Energiegewinnung zu hohen Feinstaubbelastungen, die gesundheitliche und somit auch wirtschaftliche Probleme verursacht.
In den Entwicklungsländern ist mit Rieseninvestitionen eine explosionsartige infrastrukturelle Ausbreitung der Menschen geplant, besonders in China findet ein gigantischer Bauboom statt. Aber gerade in China leiden in den Millionenstädten die Menschen sehr unter der Feinstaubbelastung. China ist weltweit das Land mit der größten CO2-Emission, vor allem wegen der Braunkohle als Energiequelle. Nun liegt es an den Regierungen, die Investitionen in die richtige Richtung zu lenken und mit zeitgemäßen Technologien die Klimaerwärmung auf unter 2°C zu bringen und Lebensräume zu schützen, damit der Verlust an Biodiversität gebremst wird.
Das Jahr 2015 war das zweitwärmste seit der Klimaaufzeichnung, die Niederschlagsmenge lag deutlich unter dem Soll. „Wir werden auch in Hessen deutlich die Klimaerwärmung zu spüren bekommen“ verdeutlicht Jacob. „Folgen wie das Fischsterben durch Sauerstoffmangel in unseren Gewässern haben wir im letzten Jahr hautnah im Teich an der Naturschutzscheune erlebt“.
Aber es gibt auch positive Entwicklungen: Glücklicherweise gab es 2015 weniger Unwetter und der jährliche Flächenverbrauch in Deutschland sinkt langsam, ebenso geht der Energieverbrauch zurück, während der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix erstmals auf über 30% in Deutschland gestiegen ist. Aktuelle Schätzungen lassen hoffen, dass auch der Kohlendioxid-Ausstoß letztes Jahr moderat verlief. Der Anteil der Windkraft bei den erneuerbaren Energien ist am stärksten gestiegen, im letzten Jahr gingen verstärkt Offshore-Windkraftanlagen ans Netz. Mit einem Seitenblick auf den Tannenkopf und weitere geplante Windräder im Kreis diskutierten die Naturschützer über Gefährdung von Rotmilan und Fledermäuse durch die Windkraftanlagen.
Beim Klimaschutz-Index, der mehr Transparenz in die internationale Klimapolitik bringen soll, erreichte laut „Germanwatch“ allerdings kein Land Platz 1 – 3. Keine Regierung unternimmt derzeit genug, um den Klimawandel zu vermeiden. Deutschland steht nur auf Platz 22, ein Grund dafür ist der noch zu hohe Braunkohleanteil bei der Energiegewinnung. Die KfW hingegen beurteilt in ihrem Jahresbericht unseren Nachhaltigkeitsindikator positiv, vor allem der Punkt Umwelt hat zugelegt.
Jacob berichtete weiter über Veränderungen beim Meeresschutz, der Landwirtschaft sowie im Wald und hob hervor, dass sich europaweit mehr als 500 000 Menschen gegen ein Aufweichen der Natura-2000-Verordnung und für einen starken Naturschutz ausgesprochen haben.
„Besonders die Landwirtschaft muss noch nachlegen“, so Jacob. Weltweit sind 23.000 von 76.000 Tierarten im Bestand bedroht, meist durch Wilderei, Klimaveränderung und Lebensraumzerstörung. Bei letzterem sind intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen ein wachsendes Problem. In der EU sind 82 von 451 Vogelarten vom Aussterben bedroht, nur die Hälfte der Vogelarten ist nicht in ihrem Erhaltungszustand bedroht, viele der gefährdeten Arten leben auf Wiesen und Äckern.
Ein Fortschritt ist zumindest, dass die Düngung und der Einsatz von Pestiziden und Antibiotika restriktiver gehandhabt werden sollen. Obwohl die EU kein generelles Verbot für Genmais durchgesetzt hat, wollen 19 EU-Staaten das Anbauverbot für Genmais auf ihrem Territorium durchsetzen. Auch solche Entscheidungen helfen gegen die Ausbreitung von Monokulturen.
„Wenn Schutzmaßnahmen ergriffen werden, gibt es auch Erfolge, wie zum Beispiel die den Beständen von Amur-Leopard, Iberischem Luchs, Panda und Wolf“, resümierte Jacob. Abschließend berichtete er von den vielfältigen ausnahmslos ehrenamtlichen Aktivitäten der Kreisgruppe. Besondere Beachtung fand die Naturschutzscheune Reinheimer Teich, die 2015 ihr 10-jähriges Jubiläum mit vielen Aktionen feierte. Zehn Monatstreffen mit interessanten Vorträgen, zahlreiche Exkursionen, gemeinsamen Treffen zum Meinungsaustausch, Aktionstage an der Naturschutzscheune Reinheimer Teich, Bestandserfassung, Verbandsarbeit, intensiver Austausch mit dem Forstamt, kreisweite Nistkastensammelbestellung und Obstbaumaktion sowie ein Jugend-Camp veranschaulichten die rege Vereinstätigkeit der Naturschützer.
Abschließend zitierte er den Norweger Oestein Dahle: „Der Sozialismus brach zusammen, weil die Preise nicht dem ökonomischen Wert entsprachen. Möglicherweise scheitert der Kapitalismus, weil die Preise nicht der ökologischen Wahrheit entsprechen.“

(Text/Foto: Nabu)

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