Jubiläum: Vor 25 Jahren gründete Bert Bernhardt die Herzsportgruppe des TV Babenhausen

Ein dünner Holzpflock, sechs große Joghurtbecher aus Plastik und ebenso viele Boule-Kugeln - fertig ist die Babenhäuser Variante des Bosselspiels. „Das wiederum ist eine Abwandlung des Curling“, erklärt Bert Bernhardt, Vorsitzender des Turnvereins Babenhausen (TVB) und Gründer der Herzsportgruppe im Verein. „Die Joghurtbecher werden über die Boule-Kugeln gestülpt und dienen als Haltegriff. Außerdem verringern die Becher die Geschwindigkeit der Kugeln und lassen sich besser steuern.“

Ziel ist es, mit möglichst wenigen Würfen den Holzpflock zu treffen, wobei der Becher nicht umfallen darf. Die Spieler eint nicht nur der Spaß am Bosseln. Ihre montäglichen Treffen in der Willy-Willand-Sporthalle haben noch einen anderen Grund: Sie alle haben eine „Kardiopathie“, also eine Erkrankung des Herzens. Viele haben einen Infarkt überstanden, andere litten an verschiedenen Formen von Herzmuskelerkrankungen oder Herzrhythmusstörungen. Im Anschluss an eine medizinische Behandlung ist Sport das beste Mittel, um die Herzfunktion zu aktivieren, zu stärken und - das ist ebenso wichtig - den Patienten Lebensfreude und -mut zurückzugeben.
Dabei unterscheidet sich der Herzsport wesentlich von anderen Reha-Sportarten. Viele Patienten - die meisten männlich und zwischen 58 und 68 Jahre alt - haben neben der Herzschwäche weitere Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck. Hinzu kommt häufig die Angst, bei Belastung erneut einen Infarkt zu erleiden. Mit jedem Herzsportler muss der Übungsleiter daher sehr individuell arbeiten, die körperlichen Grenzen jedes Einzelnen genau kennen. An die Übungsleiter werden somit hohe Ansprüche gestellt. Viel medizinisches Wissen wird von ihnen gefordert. Der Ablauf ihrer Kurse wird zudem von Ärzten begleitet.
Seit 25 Jahren gibt es eine Herzsportgruppe im Babenhäuser Turnverein; ein Jubiläum, das nun mit einer kleinen Feierstunde begangen wurde. Gerade die Vorgabe, Herzsport nur unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen, mache es Vereinen oft schwer, diese speziellen Reha-Kurse anzubieten, sagte Wolfgang Scharf vom Hessischen Behinderten- und Rehabilitationssportverband. „Der Bedarf der Patienten ist hoch, die Vereine sind häufig bereit, den Herzsport in ihr Programm aufzunehmen. Doch für die Übungsleiteraus- und -fortbildung fehlt meist das Geld. Zudem gibt es wenige Ärzte, die die Kurse begleiten wollen.“
In Babenhausen begann der Herzsport mit fünf Teilnehmern und den beiden Ärzten Ralf Backhaus und Hans-Otto Schmank. Heute wechseln sich die vier Ärzte Gudrun Klühr, Helga Welbers, Mathias Hefter und Stephan Orlemann bei der Betreuung der zwanzigköpfigen Gruppe ab. Die Patienten dürfen nur auf Verordnung ihres Hausarztes am Herzsport teilnehmen. Manche Ärzte seien mit der Verordnung zurückhaltend. „Sie fürchten, es gehe zulasten ihres Budgets. Doch die Finanzierung des Herzsports wird über die Sozialgesetzgebung geregelt, weshalb jeder Anspruch auf eine Verordnung hat“, erklärte Scharf. Der bürokratische Aufwand habe sich seit Gründung der Gruppe vor 25 Jahren deutlich erhöht, griff Bert Bernhardt das Stichwort auf. „Als der TVB 1990 mit dem Herzsport begann, war die Bürokratie noch nicht so ausgedehnt. Heute lässt der komplexe Schriftverkehr manchen Verein zurückschrecken.“
Die Arbeit im Hintergrund sei dennoch lohnend. „Es gibt keine andere Gruppe, die so regelmäßig und mit so großer Freude am Training teilnimmt, wie die Herzsportler. Wir freuen uns gemeinsam über kleinste Erfolge bei Mobilität, Ausdauer und Selbstvertrauen.“ Nirgendwo sonst dufte es zudem in der Vorweihnachtszeit so gut nach Plätzchen, ergänzte Ute Teuchner schmunzelnd, die zur Dreierspitze des Vereins gehört und Ideengeberin für die Gründung einer Herzsportgruppe war. Ihr Dank ging an die Stadt Babenhausen, die den ersten, 13700 D-Mark teuren Defibrillator bezuschusste. Das medizinische Gerät ist ebenfalls Voraussetzung, um Herzsport anbieten zu können. Gebraucht wurde es in den vergangenen 25 Jahren noch nie.
Erster Stadtrat Kurt Lambert hob die Bedeutung des Ehrenamts und das der engagierten Menschen in den Vereinen hervor. Sie müssten vonseiten der Kommunen unterstützt werden. Sowohl von ihm, als auch vom ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten Uwe Bülter gab es für den TVB eine Zuwendung.   mel

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