Flüchtlinge: Babenhäuser Kaserne soll Hessische Erstaufnahmeeinrichtung werden

So schnell kann es gehen. In der vergangenen Woche, haben auf unsere Anfrage hin, die Pressestelle von Sozialministerium, Regierungspräsidium und Landkreis Darmstadt-Dieburg noch keine Informationen zum Thema Flüchtlinge in der Kaserne zur Verfügung stellen können. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) teilte mit: „Grundsätzlich ist eine Nutzung zur Unterbringung von Flüchtlingen in einzelnen Wohngebäuden der ehemaligen US-Kaserne in Babenhausen möglich.“ Die BImA stellte in diesem Zusammenhang weiterhin fest: „Allerdings sind erhebliche Herrichtungsmaßnahmen erforderlich.“

Bürgermeister Achim Knoke bestätigte in einer Presserklärung vergangene Woche ebenfalls den hohen Aufwand der Herrichtungsmaßnahmen und berichtete: „Ohne hohe und langwierige Investitionen und Ertüchtigungen der Gebäudebestände ist, von Genehmigungsfragen einmal abgesehen, die Unterbringung von Menschen in den vorhandenen Gebäuden gefährlich und daher nicht verantwortbar.”
Die Herrichtungsmaßnahmen sind nun nicht mehr das bestimmende Thema. Heute heißt es „Wir müssen die Menschen aus den Zelten kriegen.“ Ein kurzfristiger Termin im Hessischen Innenministerium zeigte die schwierige Situation in Hessen auf und sorgte wohl auf allen Ebenen für eine neue Sichtweise. Im Mai 2015 waren in allen Teilen der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen rund 5.500 untergebracht. Im Juli waren es fast 8.000 und im August über 10.000 Flüchtlinge. Ende September spricht man bereits von knapp 19.000 Flüchtlingen in den hessischen Einrichtungen, zu welchen ab Oktober nun auch die Babenhäuser Kaserne gehören soll. Bis zu 1.500 Flüchtlinge sollen zukünftig in die ehemalige US-Kaserne als Hessische Erstaufnahmeeinrichtung einziehen, um damit die anderen Einrichtungen zu entlasten.
Auf Nachfrage der Babenhäuser Zeitung beim Hessischen Sozialministerium konnte allerdings noch kein offizielles „Ja“ zur aktuellen Diskussion vermeldet werden. „Wir geben keine Wasserstandsmeldungen ab, sondern informieren erst, wenn es in trockenen Tüchern ist – und das ist es noch nicht”, teilte uns die Pressestelle des Sozialministeriums am Dienstag Nachmittag (29.) mit. Diese Aussage bestätigte am Dienstag Abend auch Bürgermeister Achim Knoke, der während der Bauausschusssitzung auf ein Gespräch mit Investoren, dem Land Hessen und der Stadt Babenhausen verwies, welches für die kommende Woche terminiert wurde. Erst dann könne abschließend grünes Licht gegeben werden. Er berichtete von einem Schulterschluss aller Beteiligten, die sich für die humanitäre Hilfe der Flüchtlinge, insbesondere jetzt vor der kalten Jahreszeit einsetzen. Wenn die Entscheidung gefallen ist, dass Babenhausen Erstaufnahmeeinrichtung wird, wird Babenhausen aus den Schlüsselzuweisungen des Landkreis Darmstadt-Dieburg gestrichen und es erfolgt dann zukünftig keine weitere Zuteilung von Flüchtlingen nach Babenhausen.     hz

 

 

Die aktuelle Pressemitteilung der Stadt Babenhausen zu diesem Thema:

Kaserne Babenhausen als Hessische Erstauffangeinrichtung
In einem kurzfristig anberaumten Termin im Hessischen Innenministerium in Wiesbaden legte Innenminister Beuth im Schulterschluss mit Sozial- und Finanzministerium den Vertretern von Landkreis und Stadt Babenhausen dar, wie prekär die Lage in den hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen (HEAE) für Flüchtlinge ist. Derzeit sind in Hessen über 7000 Menschen in Zelten teils ohne festen Boden untergebracht. Diese Zelte sind bis an die Kapazitätsgrenzen gefüllt und kaum beheizbar. Ziel muss daher sein, möglichst viele Menschen vor dem ersten Frost aus den Zelten heraus in trockene und beheizbare Räume zu bringen.
Nachdem viele in Frage kommende Immobilien vom Land Hessen begutachtet wurden, ist zur Linderung der Not und zur Bewältigung dieser großen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe auch die Kaserne Babenhausen als geeignet eingestuft.
Bislang bestand Einigkeit, dass eine Entwicklung des Areals nur ganzheitlich erfolgreich sein kann. Durch die aktuelle Notlage ist allen Beteiligten klar, dass andere Wege gefunden werden müssen, um einerseits die Lage vieler Flüchtlinge sehr zeitnah zu verbessern, andererseits die Entwicklung der Kaserne Babenhausen nicht zu verhindern. In Abwägung dieser Interessen wird derzeit ein Plan erarbeitet, der  einen Weg zur sehr zeitnahen Unterbringung von bis zu 1500 Flüchtlingen aufzeigt und die weitere Entwicklung der Liegenschaft trotzdem sicherstellen soll. Dabei arbeiten die Investoren mit Stadt, Landkreis, Ministerien und der BImA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) eng zusammen. Auf Grund des Zustandes des Fernwärmenetzes in Verbindung mit dem sehr engen Zeitplan wird derzeit geplant, die dem Heizkraftwerk nahegelegenen Mannschaftsquartiere zwischen Freibad und historischem Teil der Kaserne zu ertüchtigen.
In der HEAE werden in Hessen eintreffende Flüchtlinge erfasst und medizinisch erstversorgt. Sie bleiben bis zur Anerkennung oder Ablehnung ihres Asylantrags in der Einrichtung. In diesem überschaubaren Zeitraum besteht für die Kinder der Asylsuchenden kein Anspruch auf einen Kita-Platz und keine Schulpflicht. Die Betreuung und Versorgung liegt in den Händen des Landes Hessen.
Im Zuge des Betriebs einer HEAE werden neben Arbeitsplätzen im Bereich der Verwaltung auch Sicherheitskräfte und andere Berufsgruppen benötigt. Die Asylsuchenden werden vom Land mit regelmäßigen Mahlzeiten versorgt, dadurch ergibt sich eine wirtschaftliche Belebung des Umfeldes jeder HEAE.
Der Zugriff der Landesregierung auf die Immobilien des Bundes zum Zwecke der Flüchtlingshilfe ist sehr weitreichend. Trotzdem sieht das Ministerium in einer moderaten Nutzung der Kaserne in Zusammenarbeit mit Stadt und Landkreis die beste Möglichkeit, um eine schnelle Unterbringung der Flüchtlinge einerseits, eine für Babenhausen tragbare Vorgehensweise zur Kasernenentwicklung andererseits zu ermöglichen. Gemeinsam mit allen Beteiligten steht eine zeitnahe und tragfähige Lösung in Aussicht, um einer humanitäre Notlage im Winter im Schulterschluss entgegenzuwirken.

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01. Oktober 2015 - 16:34

Fragwürdige Kehrtwende

Noch vor gut zwei Wochen war zu lesen, dass Bürgermeister Achim Knoke aus Babenhausen einer Flüchtlingsunterbringung in der örtlichen Kaserne ablehnend gegenübersteht und dafür lieber die Interessen von "möglichen Investoren" schützen möchte.Während in München und anderen Städten dieser Republik den Menschen aus Kriegsgebieten nach Wochen und Monaten der Flucht eine Welle der Hilfsbereitschaft entgegenschlug, versuchte scheinbar Knoke dieses lästige Thema an seiner Gemeinde vorbei zuleiten. In Darmstadt und anderswo nächtigen hunderte Menschen in eilig errichteten Zeltstädten. Die eher herbstlichen Nacht-Temperaturen liegen mittlerweile im einstelligen Bereich. Da ist das Leben im Zelt sicher auf Dauer kein Vergnügen. Das Areal der Babenhäuser Kaserne mit seinen unzähligen Wohnblöcken ist nicht in bestem Zustand. Trotzdem ist eine erstmal behelfsmäßige Versorgung bei veralteter Sanitär-Installation - aber dafür mit festem Dach über dem Kopf - das kleinere Übel. Bei täglich zehntausenden Menschen, die vor Krieg und Terror ihre Heimat verlassen haben, bleibt den Behörden auf Kreis- und Landesebene nichts anderes übrig, als jede Möglichkeit der Unterbringung in Betracht zu ziehen. Spätestens bei den Bildern toter Kleinkinder am Strand von Bodrum und der Nachricht von erstickten Menschen im zugeschweissten Laderaum ungarischer Schleuserwagen war klar, dass diese Schicksale uns alle angehen. Aber bereits aus vorherigen Artikeln war zu entnehmen, das Knoke genau auf Linie mit seiner Amtsvorgängerin Coutantin ist. Diese hatte schon mit dem Hinweis auf auf den "hohen Ausländernanteil von 14 Prozent" ihre wahre Einstellung gegenüber ausländischen Mitbürgern kundgetan. Ich gratuliere Landespolitik und BIMA, das diese sich nicht von den Vorbehalten solcher Steigbügelhalter irgendwelcher Vorortinvestoren haben abbringen lassen.

02. Oktober 2015 - 14:24

Angst und Unsicherheit

Die Anzahl von 1.500 Flüchtlingen wird zwar als Maximum angegeben, da hier der offizielle Wohnflächenbedarf für einen Asylbewerber zugrunde gelegt werden muss. Die große Anzahl an Flüchtlingen, die Klassifikation der Kaserne als HEAE und die geplanten Gesetzesänderungen (Verlassen der Einrichtung erst nach erfolgter Registrierung) wird dafür sorgen, dass diese Zahl, wie in den anderen Einkünften auch, alsbald übertroffen werden wird. Die Klassifikation als HEAE wird für einen permanenten Umschlag an Flüchtlingen sorgen, so dass keinerlei nachhaltige Integration vor Ort stattfinden kann und wird und sich insbesondere die Bevölkerung der Kernstadt permanent auf neue Flüchtlinge einstellen muss. Unser Landrat hat ja schon geäußert, dass eine derartige Einrichtung nicht nur für 2-3 Jahre betrieben werden wird, was in Anbetracht der großen Flüchtlingszahlen auch realistisch ist, wobei der Herr Landrat ja vorsorglich schon vermieden hat, sich über die Dauer des Betriebs und die dauerhaft dort unterzubringenden Personen zu äußern. Der Versuch einer Vorteilsübersetzung durch Herrn Knoke, dass es in Babenhausen durch die HEAE zu mehr Arbeitsplätze v.a. im Bereich Sicherheit kommt, wirkt in unseren Augen hilflos und verstärkt noch das Gefühl von Angst, Bedrohung und Unsicherheit (auch wenn diese im Moment irrational ist, da ja noch nichts Schlimmes passiert ist und hoffentlich auch nicht wird). Was aber insbesondere Eltern wissen: Sorgen und Ängste müssen ernst genommen werden, so unbegründet sie auch erscheinen oder sind! Zudem erschließt sich uns der Vorteil der Arbeitsplätze nicht, da ja sehr wahrscheinlich nur ein kleiner Anteil Babenhäusener eingestellt werden wird. Bei der Belieferung der Unterkunft mit Essen stellt sich aufgrund der benötigten Mengen sowieso die Frage, ob diese einfach so freihändig in die Region vergeben werden kann und dadurch Babenhausen nützt (wie dargestellt) oder ob hier eine entsprechende überregionale Ausschreibung notwendig wird. Die Aussage, dass die Flüchtlingskinder nicht der Schulpflicht unterliegen, halten wir für sehr gewagt bis grundfalsch, da uns trotz Recherche keine entsprechende hessische Rechtsnorm bekannt ist, durch die diese Aussage rechtssicher gedeckt ist. An anderer Stelle wurde (nicht durch Hrn. Knoke) tatsächlich ernsthaft ins Feld geführt, dass durch die HEAE die Abwassergebühren sinken und die Babenhäusener ja dadurch unmittelbar profitieren. Gerade der letzte Punkt ist an Geschmacklosigkeit fast nicht mehr zu überbieten, da uns hierdurch unmittelbar unterstellt wird, wir seien skrupellose Egoisten, deren einziges Ziel es ist, monetäre Vorteile aus dem Leid der Flüchtlinge zu schlagen. In Anbetracht dessen, dass die geplante jahrelange Präsenz von 1.500 Flüchtlingen in immer wechselnden Zusammenstellungen 17% der derzeitigen Wohnbevölkerung der Kernstadt entspricht, ist unsere Sorge bestimmt nicht die derzeitige Höhe der Abwassergebühren. Es zeigt vielmehr erneut, dass die Betroffenen mit ihren Sorgen und Ängsten als kleingeistige, lächerlich zu machende Xenophobe behandelt werden müssen. Die zu erwartenden gesellschaftlichen Verwerfungen/Wandlungen kann man schon sehr schön am Verhalten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben prognostizieren. Diese tritt gegenüber dem Investor auf einmal bei den Preisverhandlungen für das Restareal sehr kooperativ und entgegenkommend aus. Dies zeigt glasklar, dass man sich auf politischer Ebene sehr wohl bewusst ist, dass die HEAE auf keinen Fall einen positiven Standortfaktor für Babenhausen darstellt. Junge Familien werden sich jetzt sehr genau überlegen, ob sie Anbetracht einer vollkommen unsicheren Entwicklung zu uns ziehen oder hier bauen möchten. Man darf gespannt sein, wie sich das Projekt Lachewiesen 2 jetzt entwickeln wird und wie sich die Bevölkerungszusammensetzung durch sinkende Immobilienpreise, Wegzug und dem fehlen junger Familien entwickeln wird. Die logistischen Herausforderungen, die sich mit der Versorgung der 1.500 Flüchtlinge in einer Kleinstadt ergeben, sind bestimmt auch nicht marginal. Wir befürchten des Weiteren entweder massive Gebühren-/Steuererhöhungen (deutliche Erhöhung der Grundsteuern) oder deutliche Einschränkungen im Leistungsangebot (z.B. Schließen des Schwimmbads) allen Beteuerungen der politischen Akteure zum Trotz. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass irgendwelchen Beruhigungsäußerungen von der Landratsebene aufwärts keinerlei Glauben geschenkt werden kann. Und am Ende die betroffene Wohnbevölkerung sich selbst überlassen wird. Der Landrat wird auch schon durchgerechnet haben, dass die theoretisch maximale Anzahl an Nicht-Stimmen aus Babenhausen seine Wiederwahl bestimmt nicht gefährden werden.
(Dies ist ein Kommentar von 13 Personen (darunter 2 Familien mit insg. 3 Kindern.)    br



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