Grundsätzlich ist es sehr erfreulich, wenn Unternehmen in Babenhausen investieren möchten, das finanzielle Wohl der Stadt hängt wesentlich davon ab. Allerdings scheint in diesem Fall noch nicht einmal festzustehen, ob überhaupt Gewerbesteuern in die Stadtkasse fließen werden. Auch der Hinweis auf den Lärmschutz macht mich stutzig. Wie hoch wäre die Lärmbelastung in welcher Richtung und Entfernung? Wer in der Nähe der Bahnlinie wohnt, den begleiten bereits heute je nach Windrichtung das Geräusch rollender Züge. Über welchen Verbindungsweg und an wem vorbei würde ein Rechenzentrum dieser Größenordnung seinen enormen Stromverbrauch beziehen? Welchen Einfluss hätten dieser Strombedarf und die Betreibung des Rechenzentrums auf die Elektrosmog-Emission und die damit verbundene Belastung der Anwohner und der in der Nähe der entsprechenden Hochspannungsleitungen lebenden Bevölkerung?
Was mich allerdings am meisten irritiert, ist die Tatsache, dass das auftraggebende Unternehmen noch anonym bleiben möchte, und ich frage mich, warum. Um einen Beschluss unter Berücksichtigung aller sozialer, wirtschaftlicher und sonstiger relevanter Aspekte treffen zu können, ist es für die Stadtverordnetenversammlung sicher erforderlich, genau zu wissen, auf wen, was und welchen Zweck man sich einlässt. Einem „geheimnisvollen“ Auftraggeber eine vorausschickende Zustimmung zu geben, ohne zu wissen, in welchem Bereich dieses anonyme Unternehmen tätig ist und welche Intensionen es mit seinen Technologien verfolgt oder unterstützt, scheint mir wenig sinnvoll und vielmehr unverantwortlich. Daher sollte vor einer Abstimmung genau hinterfragt werden, wer konkret und zu welchem Zweck hier investieren möchte. Einmal mehr, da es sich bei einem Rechenzentrum um einen hoch sicherheitsrelevanten und neuralgischen Komplex handelt. Mitten in Babenhausen?
Auch wenn viele Aspekte der fortschreitenden Digitalisierung durchaus lobenswert und nicht mehr wegzudenken sind und positive Auswirkungen auf Wirtschaft, Handel und Sozial- kontakte haben, gibt es ebenso viele negative Gesichtspunkte. Genannt seien hier nur der Wegfall von Arbeitsplätzen, von Privatsphäre, die Nutzung für völlig neuartige, auch militärische Einsätze und die wachsende technologische Abhäng- igkeit bei vielen Aktivitäten unseres Alltags. Wir kämpfen hier um den Erhalt der Continental Arbeitsplätze, das ist gut so. Umso weniger dürfen wir dann aber im Umkehrschluss blind dem Bau eines Technologieunternehmens zustimmen, von dem und dessen Zielen wir bislang gar nichts wissen und durch dessen Technologien vielleicht Arbeitsplätze verlorengehen oder Dinge vorangebracht werden, die unserer Gesellschaft nicht eben nützlich sind.
Helga Wiegel, Harreshausen
„Leuchtturmprojekt in Babenhausen“
Rechenzentrum und das Geschäft mit künstlicher Intelligenz.
Heute berichtete die Tagesschau ganz aktuell zu einem Start-Up- Unternehmen mit Sitz in New York, das sich mit künstlicher Intelligenz befasst und derzeit im Rahmen einer politischen Affäre wegen Beteiligung bzw. Begünstigung durch einen CDU-Bundestagsabgeordneten in den Medien ist. Das Unternehmen heißt Augustus Intelligence. Recherchen haben laut Tagesschau-Bericht ergeben, dass es sich bei dem Unternehmen auch mangels Auffindbarkeit von Mitarbeitern um eine Briefkastenfirma handeln könnte. An Augustus Intelligence seien vornehmlich weitere Deutsche aus Politik und Wirtschaft in geschäftsführender Funktion beteiligt. Details hierzu sind sehr interessant und in dem Tagesschau-Bericht nachzulesen. Zu seinen Unternehmenszielen bzw. -angeboten hält sich das Unternehmen laut Bericht sehr bedeckt. Man arbeite laut einer Stellenanzeige an „sicheren KI-Tools, die die Frustration alltäglicher Entscheidungen für Menschen und Unternehmen überall beseitigen." Registriert wurde die Firma laut Tagesschau nicht in NY, sondern im US-Bundesstaat Delaware.
Der Link: https://www.tagesschau.de/ausland/amthor-augustus-intelligence-101.html
Auch dieser Fall zeigt, dass es viele Aspekte gibt, die mahnen, mit Entscheidungen rund um die Technologie vorsichtig umzugehen. Da reicht es nicht, Rückfragen zum Projekt Rechenzentrum im Konditional mit hätte würde könnte zu beantworten und bitte ein wenig Grundvertrauen in das Gute im Menschen und in die Wirtschaft zu haben. Man muss schon ganz genau hinschauen, auf was und wen man sich einlässt, besonders, wenn man nicht hineinschauen soll!
Übrigens: Das Unternehmen betreibt auch Rechenzentren in den USA und möchte seine Aktivitäten auf Deutschland ausweiten.
„Leuchtturmprojekt in Babenhausen“: Nur die FWB zögern
"Sie kamen im Anzug, als sie sich dem Stadtrat vorstellten. Sie stellten ihre Pläne für ein neues Rechenzentrum vor und versprachen 50 bis 100 neue Arbeitsplätze." Dies war so in der jüngsten Ausgabe (21/2020) des SPIEGEL zu lesen. Weiter hieß es dort, dass die Investoren bei ihrer Präsentation seltsam vage blieben, etwa darin, was auf den Servern gespeichert werden sollte. Zwar hatte die Stadt ohnehin kaum Mitspracherecht, doch für eine Nutzung als Rechenzentrum musste sie formal den Flächennutzungsplan anpassen. Die Nutzfläche des Gebäudes mit 5500 qm soll in 5 Etagen in einer Höhe von 50m verteilt werden. Am Ende hatte die Stadt zugestimmt. Ein Rechenzentrum kam wie gerufen." Zum Schluß warnt der SPIEGEL: "In einem Großeinsatz stürmten Spezialkräfte der Polizei am 26.09.2019 das Rechenzentrum. Laut Polizei wurden hauptsächlich illegale Webseiten gehostet, über die Kriminelle Waffen, Drogen, gefälschte Dokumente oder Kinderpornografie vertrieben haben sollen. Hätten deutsche Behörden gewarnt sein und den Käufer genauer prüfen müssen?"
Anfang Mai 2020 war in der Zeitung zu lesen, dass in Babenhausen der Weg frei zu einem neuen Rechenzentrum sei. In der Babenhäuser Stadtverordnetenversammlung wurde ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan an der Aschaffenburger Straße gefasst. 80 bis 120 Jobs hatte der Investor in Aussicht gestellt. Das Projekt soll einen Umfang von 20 000 qm Nutzfläche und 22 Metern Höhe haben. Der Investor, der bisher unbekannt bleiben will, habe die erforderlichen 5,5 Hektar Grundfläche bereits erworben.
Parallelen dieser beiden Vorkommnisse sind nicht zu übersehen: Die Größenordnung beider Projekte, die in Aussicht gestellten Arbeitsplätze, die Anonymität und unbekannten Absichten der Investoren, die finanzielle Notlage der beteiligten Gemeinden, aber vor Allem: die Sorglosigkeit mit der die Parlamentsvertreter die Projekte durchwinken.
Von den Parteien machten sich nur die Freien Wähler (FWB) Sorgen. Die CDU sprach sogar von einem "Jackpot", den Babenhausen ergattert habe. Sosehr wir in Babenhausen eine Erweiterung der Gewerbetätigkeit benötigen - die Untätigkeit der früheren CDU- Bürgermeister, die sich in der Vergangenheit allein auf die VDO verlassen hatten - rächt sich gerade jetzt mit der Ankündigung von Entlassungen bei Continental. Deshalb ist es richtig, wenn Frau Helga Wiegel fordert: Eine Recherche, wer die Investoren sind, welche Absichten sie verfolgen und von wem sie anhängig sind, muss vor einem offiziellen Beschluss erfolgen.
Peter Uhlrich
Muss nicht, kann aber!
Gerade gefunden: Neues aus einem Rechenzentrum. Muss nicht, kann aber!
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2020/Enttarnt-Die-Drogenbarone-aus-dem-Nato-Bunker,cyberbunker100.html
Nachtrag: Entscheidung Stadtverordnete zum "Rechenzentrum"
Der Jackpot!? Megadeal!? Ich empfehle zur Vorbereitung und Einstimmung auf das Rechenzentrum die wissenschaftliche Arte Dokumentation iHuman. Hier der Link https://www.arte.tv/de/videos/081590-000-A/ihuman/.
Eine derartige Entwicklung ist vorprogrammiert, wenn wir nicht endlich verantwortungsvoll mit Digitalisierung umgehen im Sinne unserer Gesellschaft. Aber wer kann schon einem großen amerikanischen Konzern widerstehen (welchem, scheint erst einmal egal) und einer solch zukunftsweisenden Technologie, die unsere privatesten Bilder auch ungefragt für uns speichert und Maschinen lernen lässt?! Was genau lernen lässt? Und von wem aus welchen Quellen? Wer Wesen erschafft wie Alexa, Cortana und Siri, die schon morgens mit uns sprechen und zuhören, wenn sonst keiner zuhört? Derentwegen ein junger Mann namens Snowden verfolgt wird, weil er die Bespitzelung der gesamten Weltgemeinschaft öffentlich gemacht hat? Es wäre geboten gewesen, all das vor einer Entscheidung zu hinterfragen genauso wie begleitende Faktoren wie Lärm, Gewerbesteuer, Belastungen durch Hochspannungsleitungen und auch die städtebauliche Verträglichkeit. Architektonisch sei es ansprechend, das Gebäude, so die Planer und unisono einige Entscheider, die aber die definitive Planung noch gar nicht zu Gesicht bekommen haben. Mit seiner Höhe von 27 m über eine riesige Bebauungsfläche hinweg ist zu befürchten, dass der Komplex eher einem Bunker als einem freundlich hereinbittenden Leuchtturm gleichen wird. Wurde nicht in Betracht gezogen, dass ein solches Monstrum und seine noch nicht ermittelten Umweltbelastungen auch unsere neuen Kaisergärten abwerten könnten? Oder wird die Planauslegung Rechenzentrum solange zurückgehalten, bis alle Einheiten in den Kaisergärten vermietet und verkauft sind? Wenig herrschaftliche Aussichten! Zumindest für die Mieter der Sozialwohnungen der Nassauischen Heimstätten, die meines Wissens direkt an der B26 liegen und die direkten Anwohner sein werden.
In der bisherigen Diskussion wird die Gemeinde Hattersheim angeführt, die großartig von dem dort errichteten Rechenzentrum "profitiert" haben soll. Ich habe einmal im Internet recherchiert. Darin steht zwar, dass Hattersheim hohe Gewerbesteuereinnahmen hat, allerdings von anderen Unternehmen, die sich dort niedergelassen haben. Zum Rechenzentrum ist nur allgemein vermerkt, dass es Vorteile bringt, von Gewerbesteuereinnahmen keine Spur. Warum wird hierzu nicht auch Klartext geredet vor einer solchen Entscheidung? Ich bin enttäuscht von unseren kommunalen Entscheidungsträgern und -trägerinnen, die in diesem Fall meines Erachtens wenig verantwortungsvoll entschieden und auch viel zu wenig hinterfragt haben. Dass nicht nur der Stadtverordnetenversammlung wichtige Informationen vorenthalten wurden, ist eine Seite, die andere, dass auch Bürgerinnen und Bürger bei einem Projekt dieser Größenordnung einfach außen vor gelassen wurden. Frei nach dem Motto: Wer nichts weiß, der kann auch nichts einwenden. Es sei denn, man widersetzte sich der geltenden Corona-Regel, riskierte seine Gesundheit und lief schnell noch mit Maske zu einer kurzfristig anberaumten öffentlichen Ausschuss-Sitzung.
Noch eine Anmerkung: Wo sind wir, wenn ein Kommunalpolitiker seinen legitimen Wunsch nach mehr Transparenz als Voraussetzung für seine Entscheidung im Nachhinein als Fehler deklassiert? Mein Verständnis von freier Demokratie sieht anders aus. „Zupackend, beherzt, engagiert und mit viel Verstand“, wenn ich an dieser Stelle den vom CDU-Stadtverband bemühten Slogan wiedergeben darf. Schöne Theorie! Und es fehlt das transparent.
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