Ob Paris oder Babenhausen – nach einigen hundert Jahren ereilt die meisten Kirchenglocken dasselbe Schicksal. Sie bekommen einen oder mehrere Risse, mitunter platzt auch ein Stück Metall ab. In jedem Fall erzeugt eine Beschädigung am Material auch eine Veränderung am Klang. An Weihnachten 2014 gab es im sonst so harmonischen Zusammenspiel der fünf Kirchenglocken plötzlich einen Misston. Statt des hellen, klaren „Es“ der kleinsten Glocke hörten die Gottesdienstbesucher ein rauhes „Bäng“.
Ohne die Glocke gesehen zu haben, ahnten Christoph Kleinert vom Kirchenvorstand und Pfarrerin Andrea Rudersdorf gleich, was ein Sachverständiger später bestätigte: Die Glocke hatte einen Riss. „Er war genau an der Stelle, an der seit 632 Jahren der Klöppel anschlägt“, sagt Kleinert.
Geht man von der aktuellen Geläutordnung in der evangelischen Kirche aus, und rechnet bis ins Jahr 1383 zurück, so hat die Babenhäuser Glocke seither mindestens dreizehntausend Mal geläutet: Jeden Sonntag erinnert sie eine Stunde vor dem Gottesdienst an die Andacht, läutet dann den Beginn sowie das Ende des Gottesdienstes ein. An den kirchlichen Festtagen läutet sie ebenso wie zu jeder Taufe.
In der holländischen Gießerei wurde die etwa 250 Kilogramm schwere Glocke repariert und bekam ein neues Joch, wie die stabile hölzerne Aufhängung heißt. „Das Joch wurde um 45 Grad gedreht, damit der Klöppel nun an einer anderen Stelle anschlägt, die reparierte Fläche entlastet wird“, erläutert David Kroft vom Unternehmen Höcker-Schneider, das auf Turmuhren- und Glockentechnik spezialisiert ist.
Das Metall musste zunächst auf eine bestimmte Temperatur erhitzt werden, um den Riss schweißen zu können. „Ist das Material zu kalt, kann es sich beim Schweißen verziehen, was später den Ton verändern könnte“, erklärt Kroft. Bevor die Glocke ihre Rückreise nach Babenhausen antrat, prüfte der Sachverständige ihren Klang.
Am gestrigen Dienstag traf die Glocke wieder in Babenhausen ein, bejubelt von den Drittklässlern der Grundschule im Kirchgarten, die ihren Religionsunterricht an die Stadtkirche verlegten, sowie den Kleinen des evangelischen Kindergartens. Auf demselben Weg, auf dem sie das Glockengestühl verlassen hatte, gelangte sie nun wieder zurück.
Am frühen Morgen wurde ein Teil des Kirchendachs abgedeckt - eine Öffnung von zwei Quadratmetern reicht, um die Glocke mit einem Durchmesser von 72 Zentimetern unfallfrei hineinzuheben. Ein Kran bringt zuerst eine Leiter zu David Kroft und Michael Schneider, die auf einem Gerüst stehend warten. Danach kommen verschiedene Arbeitsmaterialien und schließlich das Joch und die Glocke.
Der Rest ist Handarbeit und Muskelkraft. Denn die fünf Zentner schwere Glocke muss über den Dachboden, durch einen schmalen Treppenaufgang und von dort in den Kirchturm transportiert werden. Die Holztreppe zum Glockengestühl wurde ausgebaut, um den Durchlass zu erweitern. Ein Elektrozug bringt die Glocke auf die erste Ebene, dort, wo die größte der fünf Glocken hängt. Die kleinste hat ihren Platz am höchsten Punkt des Kirchturms. Auf dem Weg dorthin müssen die Techniker übers Gebälk klettern, die Glocke wird mit stabilen Seilen an ihren Platz gehievt.
Bis zum Nachmittag dauert es, bis Kroft und Schneider die Glocke eingebaut haben, das Kirchendach wieder verschlossen ist. Die aufwendige Reparatur, Transport und Sachverständigengutachten sowie Ein- und Ausbau werden zwischen 10000 und 14000 Euro kosten. Zuschüsse gibt es nicht, die evangelische Kirchengemeinde muss die Kosten allein tragen. „Bisher haben wir 475 Euro Spenden für unsere Glocke bekommen“, sagt Christoph Kleinert. Zudem habe der örtliche Gerüstbauer Geißler seine Dienstleistung für die Kirche kostenlos erbracht. mel
Spenden sind weiterhin möglich auf das Konto der Evangelischen Regionalverwaltung, IBAN: DE 03508526510013002225, BIC: HELADEF1DIE, Verwendungszweck: 2703 Babenhausen Spende Glocke.
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Rubrik: Babenhausen und Umgebung
29.09.2015
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