Die Bewerber schaue er sich immer genau an, sagt der Jurist. Denn: „Für unseren Beruf sind gewisse persönliche Eigenschaften erforderlich, die über das rein Fachliche hinausgehen.“ Ob sich ein junger Mensch für eine zweiwöchige Hospitanz in seiner Kanzlei eigne, sei oft schon im Bewerbungsschreiben erkennbar, spätestens aber bei der persönlichen Vorstellung. Noch nie habe ihn ein Praktikant so beeindruckt, dass er die Praktikumszeit auf vier Wochen verlängerte.
Bislang einzige Ausnahme: Die sechszehnjährige Mohaddeseh. „Sie war so beharrlich und an einer Praktikantenstelle in meiner Kanzlei so ernsthaft interessiert, dass ich bei ihr eine Ausnahme machte“, erzählt Friedrich. Zudem hatte Mohaddeseh ein klares Ziel vor Augen. „Ich will Jura studieren“, sagt sie entschlossen. „Als Anwältin will ich mich für die Rechte der Frauen in Afghanistan und anderen muslimischen Ländern einsetzen.“ Denn was in Deutschland selbstverständlich ist, sei in anderen Teilen der Welt für viele Frauen noch unerreichbar.
Mohaddeseh weiß es genau, denn sie stammt aus Afghanistan, lebte dort, bis ihre Familie vor vier Jahren aus ihrem Geburtsland floh. Zwölf Jahre alt war sie damals. Von der Flucht möchte sie keine Einzelheiten erzählen, die schlimmsten Erinnerungen nicht hervorholen. Nur so viel verrät sie: Die Situation in ihrem Heimatort sei zu gefährlich und unsicher geworden, die Menschen hätten um ihr Leben fürchten müssen. „Eines Tages sind wir deshalb einfach losgelaufen. Unser Ziel war ein friedliches Land, in dem man frei leben kann“, sagt sie. Ein Jahr dauerte die Flucht, bei der Mohaddeseh und ihre Geschwister von den Eltern getrennt wurden. Die Kinder kamen allein in einer Auffangstation für Asylsuchende in Gießen an.
Erst nach zwei Monaten fand die Familie wieder zueinander. Es sei eine schwierige, angstvolle Zeit gewesen. „Aber die Erlebnisse haben mich auch stark gemacht“, sagt Mohaddeseh. Konfliktstärke und Robustheit, gepaart mit Sensibilität und Feingefühl seien wichtig für eine erfolgreiche Arbeit als Rechtsanwalt. „Das habe ich in meinem Praktikum bei Dr. Friedrich gelernt. Das Büro hat auch einen sehr guten Ruf.“ Einem erfahrenen Anwalt, der überdies den interkulturellen und interreligiösen Dialog pflegt, über die Schulter schauen zu können, habe sie in ihrem Berufswunsch gestärkt. Über Gießen, Karlsruhe und Frankfurt kam sie nach Babenhausen, lernte in einem sechsmonatigen Intensivkurs so gut Deutsch, dass sie dort die Joachim-Schumann-Schule besuchen konnte. Inzwischen hat sie die Hauptschule absolviert, lernt nun für den Realschulabschluss an der Dieburger Goetheschule. „Englisch fällt mir noch schwer, aber ich brauche es für Abitur und Studium. Deshalb werde ich es auch schaffen.“ Ihr Ziel, anderen Frauen zu mehr Rechten zu verhelfen, spornt sie an. „In Deutschland ist mir zuerst aufgefallen, dass Frauen anziehen dürfen, was sie wollen. Es gibt keinen Zwang zu Kopftuch und Burka. Sie dürfen Auto fahren, zu Wahlen gehen, ihr eigenes Geld verdienen. Und sie müssen niemanden heiraten, den jemand anders für sie ausgesucht hat.“ In Deutschland fühle sie sich als Mädchen frei und unabhängig. „So sollten Frauen überall auf der Welt leben können.“ Dies möchte Mohaddeseh in einer eigenen Kanzlei oder als Anwältin in einer Menschrechtsorganisation erreichen.
Dr. Friedrich ist stolz auf seine außergewöhnlich zielstrebige und fleißige Praktikantin. Der Fachanwalt für Arbeits-, Familien- und Verkehrsrecht arbeitet nach Tätigkeit in zwei Würzburger Anwaltskanzleien seit 1997 in Sozietät mit seinem Vater Uwe Friedrich in Babenhausen. Er liebt die Herausforderung, arbeitet sich gern in anspruchsvolle Aufgaben ein. „Es geht in unserem Beruf häufig um Menschen in Notlagen oder mit schweren Schicksalen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen der Mandanten.“ Dass er seiner Praktikantin neben vielen fachbezogenen Dingen auch etwas von seinem Einfühlungsvermögen und dem Umgang mit Menschen in besonderen Situationen vermitteln konnte, freut ihn, auch wenn er mit einem Augenzwinkern anmerkt: „Ich hoffe, dass Mohaddeseh nicht eines Tages in Konkurrenz zu unserer Kanzlei tritt.“ mel
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