Stellungnahme Stadtverband der Grünen Babenhausen: Grüne fordern Moratorium für die Freigabe neuer Flächen zum Kiesabbau

An diesem Donnerstag entscheidet die Stadtverordnetenversammlung über eine Magistratsvorlage, deren wesentlicher Inhalt die Verpachtung städtischer Waldflächen zum fortschreitenden Kiesabbau der Firma Weiss in südlicher Richtung ist (Anm. der Red.: Die Drucksache wurde bei der Stadtverordnetenversammlung (26.) in die Ausschüsse verweisen).

Diese Vorlage wird nicht die Zustimmung der GRÜNEN Babenhausen finden. Diese fordern angesichts des weiteren Flächenfraß ein Moratorium für den Kiesabbau, eine Denkpause und eine Neuausrichtung der aus ihrer Sicht zu abbaufreundlichen Politik in mehrerlei Hinsicht: Erstens und vor allem stellen die Babenhäuser Grünen die Frage: wollen wir weiterhin den fortschreitenden Abbau von Wald- und Landwirtschaftsflächen in unserer Gemarkung zulassen und damit die Endnutzung unserer Böden im bisherigen und sich noch steigerndem Tempo zulassen?
Und zweitens gibt es aus ihrer Sicht bisher und in der aktuellen Magistratsvorlage keinen gerechten Preis, keine angemessene Beteiligung für die Stadt für die Ausbeutung ihrer Bodenschätze und die Endnutzung ihrer Waldflächen durch eine private Firma und juristisch gefasst stellen sie die Frage: Verkaufen wir unsere Flächen zu einem angemessenen Preis oder verkaufen wir städtisches Eigentum unter Wert und machen uns als Stadtverordnete damit sogar haftbar?
Der Beschlusstext zu dem Magistratsantrag auf Zustimmung zur „Verpachtung“ städtischer Flächen beginnt aus Sicht der GRÜNEN mit einem Paukenschlag. Während die Stadtverordneten unter Punkt 2 der Verpachtung der beantragten Flächen 1,2 und 6 zusätzlich und neu zu den schon verpachteten Flächen 3,4 und 5 zustimmen, beschließen sie unter Punkt 1 die Kenntnisnahme der eigenen Ignoranz, nämlich dass sie die Bedenken der Verwaltung, hier des Fachamts, zwar kennen aber nicht beachten, denn hier heißt es unmissverständlich: „dass aus heutiger Sicht der Verwaltung sich die grundsätzlichen Vorteile einer Verpachtung von Grundstücken im Rahmen des Rohstoffabbaus nicht erschließen.“
Dies erschließt sich für jeden unvoreingenommenen Betrachter eigentlich von selbst: die verpachteten Grundstücke existieren am Ende der Verpachtung nicht mehr bzw. sind zu Seegrundstücken mutiert, wenn sie nicht ganz im Wasser verschwunden sind. Dies führt auf Seite 5 der Vorlage zu der aufschlussreichen Feststellung: „Die Flächen können nur für den Naturschutz sowie für die stille Erholung genutzt werden. Die Verkehrssicherungspflicht verbleibt bei der Stadt, weswegen der hierfür notwendige Personal- und Verwaltungsaufwand ….den ausgehandelten Pachtzins potentiell verringern kann.“ Aus fachlicher Sicht müsste also klar veräußert statt verpachtet werden, was beim neu beschlossenen Kiesabbaugebiet „Akazienhof“ ja auch gemacht wurde, wenn auch aus Sicht der Grünen mit einer unzureichenden Beteiligung bzw. Wertermittlung.
„Jedenfalls erhielt die Stadt Babenhausen für den Pachtvertrag aus dem Jahr 1990 eine Pachtsumme von 3,6 Mill DM (etwa 1,8 Mill €) für die überlassenen 30 ha städtischer Waldfläche und ein entsprechendes Wiederaufforstungsversprechen in gleicher Höhe, tatsächlich wurden in unserer Gemarkung nur 8,3 ha auf nicht-städtischen Flächen aufgeforstet, der Rest zu 21,7 ha sind im Bereich Groß-Gerau aufgeforstet worden, dafür erhielt die Stadt als Entschädigung von Weiss sage und schreibe 206.000 Euro,“ weiß der Stadtverbandssprecher Manfred Nodes.
Gänzlich ungeklärt scheint die Frage der Renaturierung am Ende der Abbaumöglichkeiten: welche Maßnahmen sind schon umgesetzt, zu welchen bestehen rechtlich verbindlich abgesicherte Zusagen. Im Worst Case scheint es möglich, dass die Stadt, immerhin nach Ablauf der bisherigen 50-Jahre-Pacht stolzer Besitzer von 20% der Seefläche, selbst in Regress genommen wird. Vor jedem neuen Vertrag mit Weiss müsste aus Sicht des Grünen Stadtverbandes eine klare Regelung zu dem Renaturierungspaket des entstandenen Sees festgeschrieben werden: mit was wird verfüllt, wie werden Randzonen gestaltet usw.. Zur Sicherheit für diese Absprachen wäre dringend eine Sicherheitsrückstellung in einer Summe treuhänderisch zu hinterlegen. Auf diese kann die Stadt zugreifen, wenn z.B. wegen Insolvenz der allfällige kostenträchtige Rückbau der Förder- und Gebäudeanlagen nicht erfolgt oder etwa die Renaturierung unterbleibt.
Erst wenn solche - für die Stadt entscheidenden Vertragszusagen gemacht wären, kann abgewogen werden, ob sich nicht doch aus ökologischer und ganzheitlicher Sicht ein weiterer Abbau vorerst verbietet.
Die den Stadtverordneten vorliegenden Unterlagen zeigen: im Antrag der Firma Weiss geht es um städtische Waldflächen von 17 ha und einer erwarteten Fördermenge von 2,5 Millionen Tonnen Quarzsand und – kies mit einem sehr überschlägig berechneten Wert von 40 Millionen Euro (eher mehr). Das Modell Akazienhof mit angesetztem Bodenwert von 10€ würde bei der Fläche einen Verkaufspreis von 1,7 Millionen ausmachen- da stellt sich schon die Frage ob das eine angemessene Beteiligung an den Gewinnaussichten des Abbaus ausmacht. Der Einwand der Vorlage, dass eine Gewinnbeteiligung „Verwaltungsaufwand“ bedeutet überzeugt die Grünen nicht.
Auf ein weitere Merkwürdigkeit in der Vorlage weist der Stadtverbandsvorsitzende Nodes noch hin: „Nach Berechnungen des Fachamtes reicht die Fördermenge von 2,5 Mill. qm bei jährlich geförderten 500 000 Tonnen für 8 Jahre, während der Unternehmer von 10- 15 Jahren spricht. Damit wird schon deutlich, dass wir in 10 Jahren den nächsten Erweiterungsantrag für städtische Flächen auf dem Tisch liegen haben. Mit der Fläche 6  der Vorlage verlassen wir den bisher genehmigten Rahmenbetriebsplan und das Vorranggebiet zum Abbau oberflächennaher Lagerstätten hinein in ein riesiges „Vorbehaltsgebiet oberflächennaher Lagerstätten“. Die bisherige Politik der Betriebssicherung für die ansässigen privaten Kiesabbauer fortgedacht wird klar, in welche Richtung es weitergehen soll: Zu einem großen Kiessee von der Bahnlinie bis zur B26. Wir öffnen damit die Büchse der Pandora hin zu einem immer weiter fortschreitenden Tagebau, hin zu permanenten Waldverlust und zu einer Vertagung notwendiger Renaturierungsarbeiten auf den St.-Nimmerleinstag.“
Die Grünen sehen Konsequenzen nicht nur für die Babenhäuser Stadtentwicklung:
Mit dem schnellen Abbau großer Areale greifen wir massiv in potentielle Abbaugebiete für künftige Generationen ein, die nicht schon heute und ohne Not ausgebeutet werden dürfen. Denn die Versorgung der Region mit Kies für den Eigenbedarf ist aus bestehenden Abbaugebieten auf Jahre hinaus gesichert, ein weiteres Abbaugebiet bräuchte es nicht. Zumindest fehlen in den Unterlagen dazu jede Aussagen: welchen Rohstoffbedarf kennt die Regionale Raumplanung für unsere
Region Südhessen, was ist schon gesichert ausgewiesen, was ist der städtische Beitrag dazu. Gerade Babenhausen hat in den vergangenen Jahrzehnten einen enormen Beitrag zur Rohstoffsicherung geleistet und die Verwandlung der Landschaft und ihre Endnutzung in Kiesseen weitgehend klaglos erduldet.
Zum Schluss weisen die Grünen noch auf drei Problemfelder hin, die in den Unterlagen für die Stadtverordneten nicht oder nur sehr unzureichend beantwortet werden:
1. Waldverlust: der letzte Waldrundgang hat gezeigt, in welchem gestressten Zustand sich unser Wald befindet. Trockenheitsschäden, Schädlingsbefall bis hin zu absterbenden Waldflächen kennzeichnen weite Teile des Babenhäuser Waldes. In diese Situation hinein opfern wir weite Teile eines gesunden Waldbestandes. Ausgleichsmaßnahmen wirken erst mit langer Verzögerung, auf Kosten des Verlustes landwirtschaftlicher Flächen oder greifen überhaupt nur an ganz entfernten Orten.
2. Grundwasseraufschluss: es fehlen Aussagen zu möglicher Trinkwasserbelastung, Einschränkungen bei der Grundwasserneubildung oder möglichem Schadstoffeintrags. Ungeklärt auch, mit welchem Material der See im Rahmen der Renaturierung wieder aufgefüllt werden kann und darf.
3. Es fehlen Aussagen zur Verkehrsbelastung und eventueller Auswirkungen auf die neuralgischen Punkte im Verlauf der B26. Eine jährlichen Förderung von  500 000 Tonnen allein an dieser Lagerstätte bedeuten 25 000 LKW-Fahrten je 20 Tonnen x 2 = 50000 Fahrten gleich 200 Fahrten werktäglich. Dazu kommen die Fahrten einer in den Vorlagen unbenannten Menge von zusätzlichem Rohkies, der zur Aufbereitung angefahren werden soll.
Aus alldem ziehen die Babenhäuser Grünen für sich den Schluss: „Die Vorlage verdient nicht unsere Zustimmung. Sie wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Was wir brauchen ist ein mindestens 2-jähriges Moratorium im Hinblick auf die Ausweisung zusätzlicher Kiesabbauflächen in unserer Stadt und grundsätzlich Vertragsgestaltungen, die auch die Interessen der Stadt materiell und langfristig sichern.

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