CVB-Rathaussturm: „Immer wenn ihr schlemmt im Amt, das von unseren Steuern stammt!”

Gabi Coutandins Amtszeit währt noch knapp zwölf Monate. Eine zweite Amtsperiode strebt sie nicht an; im Januar 2015 wird sie den Bürgermeistersessel im Babenhäuser Rathaus für einen Nachfolger räumen.

Eigentlich könnte sie beim letzten Rathaussturm ihrer Amtszeit etwas nachgiebiger sein, doch das Gegenteil ist der Fall. Am Samstagvormittag verteidigt die Bürgermeisterin den Verwaltungssitz vehementer als je zuvor, hält das närrische Volk auf dem Marktplatz lange in Schach.

„Ich glaub, ich lass euch rausgeputzten Narren, einfach draußen auf der Straße verharren. Bis ihr schwarz werdet, ihr Brüder - dann verzieht ihr euch schon wieder“, versucht sie zunächst, die mehr als 200 Babenhäuser vor dem Rathaus zu ignorieren. Doch das ist mit dem Prinzenpaar Nadine I. und Michael III. aus dem Hause Kattner nicht zu machen. Beide sind jung, voller Elan und fest entschlossen, bis Aschermittwoch die Regentschaft zu übernehmen. Das sei auch allerhöchste Zeit, findet Prinz Michael. Denn: „Bei euch fließt doch der Wein in Strömen, dafür solltet ihr euch etwas schämen. Immer wenn ihr schlemmt im Amt, das von unseren Steuern stammt.“

„Was mich jedoch am meisten quält: Wir Deppen haben sie gewählt“, ergänzt Prinzessin Nadine. Mit Verschwendung und falschen Entscheidungen solle nun Schluss sein. Sobald sie den Rathausschlüssel in Händen halten, wollen die närrischen Hoheiten ihrem Volk nur noch Vergnügen und Unterhaltung bieten und ihm Liebgewonnenes zurückgeben - angefangen mit den Linden, die der Bahnhofsmodernisierung weichen mussten.

Nach heftigen Wortgefechten, Schunkelrunden, Konfettiregen und Gardetänzen gibt sich die Bürgermeisterin dann doch geschlagen, gibt den Rathausschlüssel schließlich raus. „Doch dazu bekommt ihr in Euro, Dollar und Gulden auch sämtliche Gemeindeschulden“, sagt Coutandin, wobei ausgerechnet beim letzten Wort das Mikrofon ausfällt. Das sorgt für Jubel beim Publikum auf dem Marktplatz und beim Prinzenpaar. Von Schulden hat niemand etwas gehört, weshalb es kaum jemanden kümmert, dass die Stadtkasse wie immer leer ist und diesmal sogar durch eine Pralinenschachtel ersetzt wurde.

Als das Prinzenpaar die hart erkämpfte Schatulle und den überdimensionalen Schlüssel entgegengenommen hat, nutzt Klaus Fengel, Fastnachts-Urgestein beim Carnevalsverein Babenhausen (CVB), die Gelegenheit, eine Geschichte zu erzählen, die selbst der Hofmarschall und begnadete Redenschreiber Roland Keil nicht schöner hätte erfinden können. Ein Maler war beauftragt worden, die mit Graffiti beschmierte Bahnunterführung neu zu streichen. Im Vorbeifahren hielt die Bürgermeisterin den auf einer Leiter stehenden Handwerker für den Täter, glaubte, den Graffiti-Künstler auf frischer Tat ertappt zu haben und verständigte die Polizei, die das Missverständnis aufklärte.

Fengels Lob an die „wachsame Bürgermeisterin“ war trotz aller Narretei auch ernst gemeint, ebenso wie die Anregung, im nächsten Jahr die Fastnachts-prinzessin zu geben. „Zeit haben Sie dann ja, und im Rathaus kenne Sie sich auch aus“, sagte er in Anspielung auf die kommende Kampagne, in der Coutandin - zumindest während der Fastnachtszeit - als närrische Hoheit wieder ins Rathaus zurückkehren könne.   mel

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