Stadt-Apotheke Babenhausen: Eine Ära geht zu Ende

Bis zum letzten Tag nimmt Ingrid Berg-Wolf ihre Aufgaben als Apothekerin gewissenhaft und mit viel Herzblut wahr. Sie und ihr Mann Jürgen haben im Juli 1990 die Stadt-Apotheke in der Fahrstraße 5 in Babenhausen übernommen und seitdem in gewohnter Herzlichkeit geführt. Auch in den letzten Tagen ist ihr Mann immer noch präsent auf dem Bild, das sie Beide in ihrer Apotheke zeigt. Die Stammkundschaft lässt es sich nicht nehmen, sich persönlich zu verabschieden.

„Puh – die Schließung ist fast anstrengender als die Eröffnung!“ mit diesen Worten wendet sich Ingrid Berg-Wolf in den Verkaufsraum, nachdem sie trotz geschlossener Tür (es ist seit 15 Minuten Mittagspause) noch schnell zwei Kunden am Notdienst-Fensterchen bedient hat. „In der Hitze sollen die doch nicht nochmal wiederkommen müssen“, erklärt die zierliche Apothekerin, der man die 73 Jahre absolut nicht ansieht.

Fast 30 Jahre ist es her, als sie am 1. Juli 1990 mit ihrem Mann Jürgen Wolf die älteste Apotheke der Stadt übernahm. Ihr Mann hatte nach seinem Studium, genau wie sie auch, erst ein paar Jahre als Angestellter gearbeitet und beide waren sie auf der Suche nach einer eigenen Apotheke. Als Jürgen Wolfs damaliger Chef (Herr Linder) in den Ruhestand ging, waren sie gerne bereit, dessen Apotheke in Babenhausen gemeinsam zu übernehmen. Ingrid Berg-Wolf wusste schon während ihrer Schulzeit, wofür sie sich berufen fühlte und studierte nach dem Abitur Pharmazie in Marburg. Mit ihrem Mann pendelte sie zwischen Wohnung in Kranichstein und der Apotheke in Babenhausen hin und her. Für die damals noch eine ganze Woche dauernden Nachtdienste hatten sie sich eine kleine Wohnung direkt über der Apotheke angemietet und so langsam wurden sie auch heimisch in der Gersprenzstadt.
Als ihr geliebter Mann dann 2012 unvermittelt verstarb, fand Berg-Wolf großen Rückhalt bei den Mitarbeitern, aber auch bei vielen Kunden, denen das nette Ehepaar sehr ans Herz gewachsen war. Das half ihr damals sehr, verrät die Optimistin: sie wolle auf jeden Fall das Standbein in Babenhausen behalten, wo sie in den letzten Jahren viele Freunde fand. In Kranichstein warteten ihre Schwester und ihr Schwager, die direkt nebenan wohnen und mit denen sie für den Herbst einen Wanderurlaub auf der Blumeninsel Madeira gebucht hat. Dabei wisse sie gar nicht mehr richtig, wie „Urlaub“ funktioniere, schmunzelt sie. Überhaupt warten so viele Dinge auf sie, für die gerade in den Jahren, als sie sich allein um die Apotheke kümmern musste, keine Zeit blieb. Mit ihrem Mann pflegte sie Hobbys wie Eistanzen und Ballett, wobei sie zumindest Ballett beim TVB hier vor Ort weiterführen konnte. Aber auch viele ungelesene Bücher, ungesehene Filme und ungehörte Musik warten auf sie. Während sie früher eher der klassischen Musik zugetan war, hat mittlerweile auch Jazz bei ihr Gehör gefunden.
Obwohl ihre Augen strahlen, wenn sie von ihren Freunden und den Hobbys spricht, schwingt doch sehr viel Wehmut mit, denn sie machte ihren Beruf stets gerne und muss sich im Ruhestand erst wieder komplett neu ordnen. Die große Resonanz der Kundschaft überwältigt sie, denn das Verhältnis zu den Kunden in der Stadtapotheke war stets recht familiär.
Da die ansässigen Apotheken ein freundlich-kollegiales Miteinander pflegten, ist sich Berg-Wolf sicher, dass die Kundschaft weiterhin in guten Händen sein wird. Sie selbst vertraut auf die Kompetenz der Schloss-Apotheke, die ihr Hilfe bei der Abwicklung der Geschäftsschließung angeboten haben. Mit Werbung für Abverkauf und dergleichen hat sie wenig Erfahrung und es fällt ihr sichtbar schwer, sich darauf einzulassen. Frau Berg-Wolf freut sich, dass auch ein Teil ihrer Mitarbeiter nur eine Minute Fußweg entfernt in der Schloss-Apotheke eine Weiterbeschäftung gefunden haben. Sie bedauert, dass es keinen Nachfolger für die Stadt-Apotheke gibt. Es gibt noch sehr Vieles zu erledigen, bevor das Ladengeschäft endgültig geräumt und zur Weitervermietung bereit ist. Ingrid Berg-Wolf rechnet damit, in den nächsten Wochen noch sehr mit der Abwicklung eingespannt zu sein, doch im September soll dann der Wanderurlaub Gelegenheit zum Abschalten geben.
Wie wichtig die Apotheke für ihre Kunden war und wieviel sie als Person ihnen bedeutet, wird ihr eigentlich erst jetzt so richtig bewusst, wenn Viele zum Verabschieden in den Laden kommen. „Das macht schon ein bisschen traurig“, gibt Ingrid Berg-Wolf zu, die stets ein offenes Ohr für die Belange Anderer hat.
Als um 14 Uhr die Tür wieder aufgeschlossen wird, füllt sich der Verkaufsraum und die quirlige Dame ist sofort wieder in ihrem Element: sie berät, nimmt Rezepte und gute Wünsche für die Zukunft entgegen, schaut, ob sie bestellen kann, was nicht vorrätig ist. Eine sympathische Dame, die für ihre Kundschaft weit mehr ist als „nur“ Apothekerin und die in der Babenhäuser Geschäftswelt sicher vermisst werden wird. Alles Gute für die Zukunft!    kb

Kommentare

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05. Juli 2019 - 09:29

Schade

Frau Wolf, dass sie aufhören. Wird schwierig werden wieder eine Aptheke zu finden wo man sich so viel Mühe gab wie es bei ihnen war. Immer freundlich, immer kompetent und immer hilfsbereit. Es wird uns was fehlen.
Wir wünschen ihnen eine gute Zukunft, genießen sie die Freizeit, tun sie was für sich und bleiben sie gesund. Wir hoffen man läuft sich doch noch mal über den Weg.
Alles Gute Fa. Gruber



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