Ria Fischer wurde an einem Kerbmontag, am 21. September 1925, als Maria Rose geboren. Doch von Jugend an hat man sie nur „Ria“ genannt. Sie wuchs mitten in der Altstadt, in der Fahrstraße 18, auf. Und sie hat als Jugendliche die dunklen Zeiten Deutschlands hautnah miterlebt. Im Krieg absolvierte sie eine kaufmännische Lehre bei der Druckerei Georg Krapp V.. Als 1943 die Privatunternehmen Angestellte für die Rüstungsindustrie abgeben mussten, begannen neue Verpflichtungen für sie. Zunächst war sie in die Tonwarenfabrik Dieburg und wenig später zur Lufthauptmunitionsanstalt in Münster abkommandiert. Nach einiger Zeit wurde Ria Rose durch einen Ringtausch ins Rathaus Babenhausen als erste weibliche Sekretärin zur persönlichen Unterstützung von Bürgermeister Fritz Klein versetzt.
Mit knapp 20 Jahren erlebte sie am 25. März 1945 den „D-Day in Babenhausen“, wie sie einmal berichtete. Damals habe sie erfahren, wie sich Menschen verändern können, denen es vorher gut und dann schlecht ging und umgekehrt. 1946 schied sie aus städtischen Diensten aus und arbeitete bis nach der Währungsreform als Sekretärin bei der Genossenschaft für Obst und Gemüse. Sie half ihrer Mutter, den Haushaltswarenladen an der Fahrstraße wieder aufzubauen. Später brachte sie den amerikanischen Soldaten in der Kaserne Deutschkenntnisse bei. Dafür wurde sie 2002 von den Amerikanern anlässlich eines Thanksgivingfestes besonders geehrt.
Im November 1952 heiratete Ria Rose ihren Jakob Fischer, der Ende August diesen Jahres im Alter von 92 Jahren starb. Das junge Paar bezog sein Haus an der Waldstraße. 1954 kam die Tochter Ursula zur Welt. Die Liebe zu ihrer Heimatstadt und das Interesse an der Geschichte ließ Ria Fischer zeitlebens nicht mehr los. Mit ihrem exzellenten Gedächtnis war sie eine hochbegabte Erzählerin, war eine Förderin der Verschwisterung mit Buchsweiler, in guter Tradition durch die Geschichte der Grafen von Hanau-Lichtenberg. 1980 hat Ria Fischer den Heimat- und Geschichtsverein mit gegründet. Ab dem 1. August 1983 war sie, aufgefordert vom damaligen Bürgermeister Norbert Schäfer, Hüterin des Stadtarchives im Burgmannenhaus geworden. Sie nahm ihr Amt sehr ernst. In mühevoller Arbeit und mit Unterstützung ihres Mannes integrierte sie die Stadtteilarchive. Im Jahre 2006 gab sie das Amt ab. Am 28. November 2007 wurde ihr in Gießen für diese Tätigkeit aus der Hand von Staatsminister Udo Corts der Hessische Archivpreis überreicht.
Bereits am 28. September 1990 war sie mit der silbernen Verdienstmedaille der Stadt Babenhausen geehrt worden. Im April 2006 überreichte ihr der damalige Landrat Alfred Jakoubek den Ehrenbrief des Landes Hessen und nannte sie das „stadtgeschichtliche Sprachrohr der Stadt Babenhausen“. Knapp drei Wochen vor ihren 87. Geburtstag wurde sie 2012 zur Ehrenbürgerin der Stadt Babenhausen ernannt. Dabei betonte sie: „Ich bin stolz, Babenhäuserin zu sein mit allen Vor- und Nachteilen, die man uns nachsagt.“ Sie habe gute und schlechte Zeiten erlebt, sie habe die Bombenangriffe an Weihnachten auf Babenhausen erlebt und die gesetzeslose Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Und es seien bessere Zeiten gekommen. „Wir haben es überstanden, aber wir haben es nicht vergessen.“ wi.
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Rubrik: Babenhausen und Umgebung
23.11.2015
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