Keine Taufe ohne Wasser

Gehört der digitalen Gemeinde die Zukunft? – Interaktiver Gottesdienst in Eppertshausen hatte Kirchenpräsident Dr. Volker Jung zu Gast

Das „5015 – Ruf nach mir“-Team mit Kirchenpräsident Dr. Volker Jung (fünfter von rechts).

Aufs Smartphone und Tablet schaut er häufig. Überhaupt ist der hessen-nassauische Kirchenpräsident Dr. Volker Jung ziemlich digital unterwegs. Chatten mit der Familie, mit Freunden und Bekannten, ein Account bei Facebook. „Die digitale Kommunikation macht einen Großteil meiner Kommunikation aus“, sagte Jung kürzlich im  interaktiven Gottesdienst „5015 – Ruf nach mir!“ in Eppertshausen mit dem Thema „Wo zwei oder drei chatten, da bin ich mitten unter ihnen – Gehört der digitalen Gemeinde die Zukunft?“

Gottesdienst und Internet, passt das? „Geht hin, geht überall hin“, zitierte der Eppertshäuser Pfarrer Johannes Opfermann an diesem Abend den Auftrag Jesus an seine Jünger. Und deshalb sei die Evangelische Kirchengemeinde Eppertshausen vor rund zwei Jahren auch ins Internet gegangen, um dort Gottesdienst zu feiern. Die Idee dazu hatte der Dieburger Coach und Psychologe Dr. Ralf Friedrich, der sich im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald auch als Prädikant und ehrenamtlicher Notfallseelsorger engagiert, seine Doktorarbeit über virtuelle Kommunikation geschrieben hat und gerne Neues ausprobiert. Der Gottesdienstraum wurde umgebaut und unter Federführung von Tobias Reichert mit diverser Technik ausgestattet. Auf der großen Leinwand zum Beispiel erscheinen die Ergebnisse der Chat-Umfragen und machen so die Kommunikation zwischen Netz und realer Gemeinde sichtbar. Mehrmals im Jahr wird der 5015-Gottesdienst live aus der Friedensgemeinde ins Internet gestreamed. Im Mai zum Beispiel haben sich das Evangelische Zentrum Frauen und Männer und die Online-Plattform evangelisch.de zusammengetan und einen Gottesdienst zum Thema „Singlesein“ abgehalten.
Mit Kirchenpräsident Volker Jung hatte der Gottesdienst nun einen prominenten und versierten Gast. Denn er gilt als der „Medienbischof“ der Evangelischen Kirche in Deutschland, zudem hat er im vergangenen Jahr das Buch „Digital Mensch bleiben“ veröffentlicht. Gehört der digitalen Gemeinde die Zukunft? Für Johannes Opfermann ist Jesus auch online im medial vermittelten Miteinander dabei. Doch es gebe Situationen, in denen die unmittelbare Begegnung unverzichtbar sei.

Respekt muss auch im Netz gelten

„Bei der Taufe braucht’s schlicht und einfach Wasser“, nahm Volker Jung diesen Faden in seiner Predigt auf. Die digitale Kommunikation biete viele schöne Möglichkeiten, um sich mit der Familie, mit Freunden, mit der Kirche in der ganzen Welt zu verbinden. Mit großer Sorge habe er hingegen die Häme und den Spott nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wahrgenommen, weil dieser sich für Flüchtlinge stark gemacht habe. Das sei respekt- und pietätlos. Die Botschaft Jesu sei die Botschaft der Nächsten- und auch der Feindesliebe. „Wir haben das in unserem Grundgesetz übersetzt mit: ,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘“, sagte Jung. „Das muss auch im Netz gelten.“
Manches, was die Digitalisierung mit sich bringe, finde er „richtig gut“, sagte Jung im Gespräch mit der Öffentlichkeitsreferentin des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald, Silke Rummel. Etwa die smarte Heizung von unterwegs aus zu regulieren, autonomes Fahren oder der Einsatz von Robotern für Hilfstätigkeiten in der Pflege. Als Ergänzung, so Jung, nicht als Ersatz, „weil der menschliche Kontakt etwas unglaublich Wichtiges ist“. Auch die digitale Gemeinde könne eine Ergänzung zur realen Gemeinde sein, sagte der Kirchenpräsident – und ist damit einer Meinung mit der Mehrheit von 69 Prozent der virtuellen Gottesdienstbesucher, die sich über den Chat beteiligten. Die Digitalisierung sei in vollem Gang, so Jung, der Kirche komme bei der Gestaltung mit ihrer christlichen – im Sinne von menschlichen – Perspektive eine wichtige Rolle.
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von Manuel Kelber-Bender an Orgel und E-Piano und den beiden Sängerinnen Anna Koch und Regina Graßmann. Das junge Technik-Team bestehend aus Paul, Leon, Justus und Rufus sowie Sebastian Strunk in der Redaktion sorgte für den reibungslosen Ablauf.

Der nächste 5015-Gottesdienst ist am Freitag, 30. August, 19 Uhr, in der Evangelischen Friedensgemeinde Eppertshausen. Er hat das Thema „Zurück aus dem Urlaub – jetzt beginnen die Ferien von Gott“. Der Gottesdienst kann im Internet auf www.rufnachmir.de verfolgt werden.

HINTERGRUND
Der interaktive Gottesdienst „5015 – Ruf nach mir!“ ist ein neues Format und einmalig in der Region. Der Name des Online-Gottdienstes basiert auf Psalm 50, Vers 15: „Und wenn du in Not bist, rufe nach mir! Dann rette ich dich, und du wirst mich dafür ehren“. Er wird von der Evangelischen Friedensgemeinde Eppertshausen aus live ins Internet übertragen und verknüpft reale und virtuelle Gemeinde miteinander.

(Text: S. Rummel/Foto: Dekanat/Peter Panknin)

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