Sickenhöfer Laientheater in der Stadthalle: Und wer war nun der Mörder?

Und wer war nun der Mörder? Das fragten sich sicher viele der Zuschauer, die am vergangenen Wochenende das neueste Stück der Sickenhöfer Laienschauspieler in der Stadthalle besucht haben. Selbst Nachfragen bei den Söhnen einer der Schauspielerinnen kamen zu keiner eindeutigen Auskunft. In der Pause grinsten Julian (11) und sein Bruder Simon (8) nur verschmitzt, als sie befragt wurden. Ihre Mutter Claudia Bahnen mimte das verwöhnte Töchterchen Sarah und obwohl sie auch öfters bei den Proben dabei waren, wüssten sie es nicht so genau.

Es war aber auch ein Kuddelmuddel hinter der gediegenen Fassade des englischen Herrenhauses. Während der Ehesegen des geizigen Sir Percy Thistlewaite mit seiner arroganten Frau Elisabeth Thistlewaite (gespielt von Wolfgang Herz und Andrea Keller) schief hing, wurde das unterbezahlte und schlecht behandelte Personal immer unzufriedener: Köchin Saucepan (Uschi Liebald) und Butler Wellbred (Martin Hanschmann) hatten es nicht leicht. Zur Fasanenjagd haben sich der bäuerliche Bruder Gerald Thistlewaite und seine Frau Kathrin angekündigt (Frank Schell und Sylvia Degend), was dazu führt, dass sich innerhalb weniger Stunden etliche mysteriöse Todesfälle ereigneten und Inspektor Blunder (Walter Kutscher) für Ermittlungen hinzugezogen wird. Elisabeths senile Mutter Friedhild (Wilma Stirn) geistert durch fast jede Szene und scheint doch von all dem Geschehen nicht viel mitzubekommen. Auch Hilda, die heimliche Tochter der Köchin mit Sir Percy, will endlich das ihr zustehende Erbe antreten, damit sie Erbrecht studieren kann. Vanessa Rodemich schlich sich in dieser Rolle genial durch das ganze Stück hindurch, ohne von den anderen wesentlich bemerkt zu werden.
Der genial hochnäsige britische Unterton wurde stellenweise von den Laiendarstellern leicht hessisch verfeinert, doch der stark strapazierte Genitiv stellte klar, dass man sich in feineren Kreisen auf dem britischen Lande bewegte. Nacheinander sterben auf unerklärliche Weise die Personen weg und über zwei der drei Akte mussten die Zuschauer ihre bis dahin gefasste Meinung über den einen Mörder ständig ändern. Gebannt verfolgten sie jeden noch so kleinen Hinweis und fühlten sich mitten im Geschehen, als müssten sie selbst ermitteln. Auf der Bühne ging es oft turbulent zu, doch auch subtil erzeugte Spannung ließ das Publikum gespannt mitfiebern. So wechselte ein mit Rattengift gemixter Whiskey auf der Bühne mehrfach die Hand und man wartete ungeduldig, wer ihn denn letztendlich aus Versehen trinken würde. Auch die Licht- und Tontechnik war mit dem Team aus Bernd Knöll und Steffen Jacob bestens besetzt. Nicht nur bei den Visionen der hellseherisch begabten Kathrin oder den schlafwandlerischen Auftritten von Sir Percy gaben sie dem Ganzen den letzten Schliff. Als Souffleuse fungierte Christine Winter und die Maske war von Magdalena Kutscher und Insa Mosen hervorragend belegt. Mit viel Gespür fürs Detail hatten die Sickenhöfer Schauspieler auch das Bühnenbild umgesetzt, selbst die Haxe auf dem Tisch war echt und wurde von seinem Besitzer nach der Aufführung zum Verzehr mit nach Hause getragen.
Seit Oktober hatten sich die zehn Darsteller 40-mal getroffen, um intensiv zu proben und man merkte im Zuschauerraum, wieviel Herzblut in diese Produktion gesteckt wurde. Schließlich spiele man zum ersten Mal ein komplettes Stück auf der großen Bühne in der Stadthalle und da sollte es schon besonders gut sein, befand Wolfgang Herz. Zum ersten Mal trat die Gruppe SiLT auch mit so großer Besetzung auf und wenn man 10 Schauspieler zu jeweils 12 Minuten Bühnenzeit verpflichte, kommen am Ende auch 120 Minuten raus, war die logische Erklärung des Ensembles.
In den Pausen sorgte ein Caterer-Team aus Angehörigen für leckere Verpflegung und einige große Stellwände boten genügend Einblicke in das Schauspielerleben im benachbarten Ortsteil.
Nach dem überraschenden Ende stellten sich die Schauspieler gerne dem langanhaltenden Applaus und wurden so für all die Mühen der letzten Monate und das teilweise große Lampenfieber mehr als entschädigt.
Eine Überraschung für die Bühnenleute gab es aber nach der Vorstellung, als sich ein vermeintlicher Zuschauer als der englische Autor des Stückes zu erkennen gab. Andy Clapp lebt in der Nähe von Göttingen und hatte von seinem Verlag von der geplanten Vorstellung gehört. Das wollte er sich nicht entgehen lassen und nahm den weiten Weg auf sich, um die Schauspieler persönlich zu sehen und die gesamte Aufführung zu filmen. Clapp verdient sein Geld nicht nur mit selbstgeschriebenen Bühnenstücken. Als freier Künstler führt er auch Regie und tingelt als Zauberer und Jongleur durch Deutschland. Hinter der Bühne entsponnen sich schnell fachliche Gespräche und Clapp lobte vor allem die visuelle Umsetzung seines Stückes. Eine Frage brannte den heimischen Darstellern auf der Seele: „Wer hat nun eigentlich wen umgebracht?“ Doch auch der Autor selbst hielt sich da diskret bedeckt und lächelte nur very british. Im Gegenzug bot er jedoch an, vielleicht als nächstes Projekt ein weiteres Stück von ihm einzustudieren. Das klang alles sehr spannend und die Autogramme auf den Skripten werden die Schauspieler sicher in hohen Ehren halten. Eine Krimipremiere mit wahrlich überraschendem Ende – nicht nur für die Zuschauer.      kb

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