Stadtverordnetenversammlung: Kein Vertrauen vorhanden - Parlament verklagt den Magistrat

Seit der Bauausschusssitzung vom 15. Dezember 2017 befasst sich die Babenhäuser Lokalpolitik intensiv mit der geplanten Bebauung auf dem Gelände der Gärtnerei Grünewald. Bei der Stadtverordnetenversammlung vom 8. März wurde beschlossen, dass hier kein Mischgebiet entstehen soll, sondern eine Allgemeine Wohnbebauung. Wie der Investor auf diesen Beschluss reagiert ist unklar.

In der Sitzung des Babenhäuser Stadtparlamentes am vergangenen Donnerstag (8.) drehten sich viele Wortbeiträge um den  Begriff „Vertrauen“ - oder besser gesagt um das Misstrauen, welches zur Zeit offenbar zwischen der Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung und dem Magistrat, mit dem Bürgermeister an der Spitze, herrscht. Nach etwa einer Dreiviertelstunde musste Stadtverordnetenvorsteher Friedel Sahm feststellen: „Es ist schade, dass wir heute vor soviel Publikum uns in dieser Form so streiten müssen, das finde ich einfach sehr schade.“

Schon vor Beginn der eigentlichen Tagesordnung wurden die aktuellen Differenzen deutlich. Eine Stellungnahme des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler Babenhausen, Oliver Bludau, wurde verlesen. In diesem Schreiben brachte Oliver Bludau zum Ausdruck, dass er in seiner Amtszeit nicht über das Bauprojekt der Firma Kalkan „Alte Gärtnerei“ informiert worden sei. Bürgermeister Knoke berichtete umgehend, dass zu diesem Zeitpunkt auch noch keine Gespräche mit der Firma Kalkan geführt wurden, aber im Jahr 2015 vom Magistrat ein Grundsatzbeschluss gefällt wurde, dass das Areal der Gärtnerei Grünewald „bei einer Neuordnung zur Erhöhung der Besucherfrequenzen der Fahrstraße/Altstadt bevorzugt als Einzelhandelsstandort entwickelt werden soll, alternativ ist eine ergänzende oder alleinige Wohnbebauung zu prüfen“. Bürgermeister Knoke führte weiterhin aus, dass dieses Protokoll „den damaligen Fraktionsvorsitzenden, auch dem Herrn Bludau, zugegangen sei“.

Widerspruch / Beanstandung wird nun juristisch geklärt Stadtverordnetenversammmlung verklagt den Magistrat

Die Beanstandung des Magistrates zu einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung (ehemaliges Merin-Gelände, wir berichteten mehrfach) sorgte für eine lebhafte und teilweise auch persönlich geführte Diskussion. Die Stadtverordneten waren sich in der Aussprache offensichtlich nicht einig über den eigentlichen Beschluss beziehungsweise dessen Auswirkungen. Manfred Willand, Fraktionsvorsitzender der FDP befand diesen Beschlussvorschlag „ich möchte fast schon sagen skandalös“. Der Vorwurf an die Stadt sei nicht gegeben und es würde nur ein Gerichtsverfahren provoziert. Willand führte aus: „Verlierer dieses Beschlussvorschlages wird die Stadt Babenhausen sein. Wir klagen, dass wir kein Geld haben, und da wird das Geld zum Fenster rausgeschmissen, nur um irgendwelchen Egomanen Recht zu geben“.
Wolfgang Heil, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Babenhausen (FWB) entgegnete: „Über was reden wir heute? Es geht heute ausschließlich rechtlich klären zu lassen, ob das Recht verletzt wird.“ Heil ging auf die Geschichte des Beschlusses ein und erinnerte an eine „Phantomsitzung“, an ein sogenanntes Umlaufverfahren welches sich als nicht haltbar herausstelle und an einen städtebaulichen Vertrag der angeblich abgeschlossen sei, den es dann aber gar nicht gegeben hat. Abschließend bemerkte er Richtung Bürgermeister Knoke „Sie sind für uns nicht die erste Anlaufstelle wenn wir rechtssicher Auskünfte benötigen, von Wahrheit will ich erst gar nicht reden.“
Der Wortbeitrag von Kurt Gebhardt (Die Grünen) unterstrich dann die verschiedenen Sichtweisen wie der betreffende Beschluss von den Parlamentariern ausgelegt werden kann. Während Gebhardt feststellte „Ich bleibe dabei, es geht darum, dass der Vorhabenträger sein Geld bekommt oder nicht.“ entgegnete ihm Friedel Sahm „Wir beschließen nicht, dass der  jetzt einfach Geld bekommen soll.“ Gebhardt stellte trotz aller Diskussion klar „Ich halte die Beanstandung des Magistrates für sehr gerechtfertigt und notwendig, und die Aufrechterhaltung hingegen finde ich sehr peinlich, sie schadet der Stadt und mindert unser Ansehen und Würde der Stadtverordneten.“
Die Vorsitzende des Bauausschusses, Dr. Martina Seuß (SPD), zitierte aus einer Präsentation eines Fachanwaltes für Baurecht über Vorhabenbezogene Bebauungspläne „Der Investor trägt die Verfahrenskosten“ und „Der Investor trägt das Risiko der entschädigungslosen Aufhebung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplanes.“ Sie stellte abschließend fest, dass der Investor hier Geld bekommen solle „und da er dies selber bei der Stadt nicht einklagen kann, sollen das die Stadtverordneten tun“.
Bürgermeister Achim Knoke (SPD) erläuterte die Sichtweise des Magistrates. Der ursprüngliche Beschluss stelle ein Gesamtpaket dar und aus einem Gesamtpaket einen einzelnen Punkt rauszunehmen, das sei haushaltstechnisch nicht gesetzeskonform, daher sei der Einspruch gegen den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung erfolgt. Mit dem Beschluss würde gegen geltendes Haushaltsrecht verstoßen führte Knoke weiterhin aus um dann abschließend auf die gesamte Diskussion einzugehen „Das Misstrauen, das an dieser Stelle nicht nur geschürt sondern noch auf kleinerer und größerer Flamme hochgekocht wird, das ist schon eine sehr sehr merkwürdige Art und Weise miteinander umzugehen. Und ich bitte Sie an der Stelle zu überlegen, ob Sie das so fortsetzen wollen.“
Die Ausführungen des Rathauschefs nahm Stadtverordnetenvorsteher Friedel Sahm zum Anlass, eine Bemerkung zu machen „Die Stadtverordneten, die die Beanstandung des Magistrates nicht akzeptieren wollen, … richtet sich nicht in die Richtung, dass der Vorhabenträger einen Anspruch bekommt, das darf man nicht vermitteln. Der Vorhabenträger sollte dadurch keinen Anspruch bekommen, sondern es geht darum, dass die Stadtverordneten einen Beschluss gefasst haben, den der Magistrat wollte, diesen Beschluss haben alle sozusagen letztlich zugestimmt, aber der Magistrat hat diesen Beschluss nicht umgesetzt – bis heute. Darum geht’s.“ Abschließend bemerkte Friedel Sahm „Wir haben viel diskutiert und es wird mit keinem Wortbeitrag besser.“ Die nachfolgende Abstimmung votierte mit 17 Stimmen (CDU/FWB) für eine juristische Klärung, 13 Stadtverordnete sprachen sich dagegen aus (SPD/Grüne/FDP) ein Parlamentarier enthielt sich (SPD).

Projekt „Alte Gärtnerei“ nur eine Allgemeine Wohnbebauung soll nun möglich sein

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Stephan Sawallich, erläuterte den Änderungsantrag zum Projekt „Alte Gärtnerei“. Man sei mit der Vorlage des Magistrates nicht einverstanden und man wolle damit dem Vorhabenträger ein Ziel vorgeben, was dort zukünftig gemacht werden soll. CDU und Freie Wähler monierten das Verhältnis der ursprünglichen Planung von Wohnbebauung und Gewerbenutzung (von etwa 50 zu 50 Prozent), die Größe des geplanten Bauvorhabens, die Wuchtigkeit, die Höhe (die CDU könne sich 12 Meter vorstellen), die Verkehrssituation und auch sei man in der CDU Fraktion nicht bereit, den bestehenden Parkplatz in die Waagschale zu werfen.
Manfred Willand stellte eine Kompromisslösung der Freien Demokraten vor. Der hintere Bereich des geplanten Projektes solle nach dem CDU/FWB Vorschlag als „Allgemeines Wohngebiet“ bebaut werden, dadurch würde die Bebauung von 67 Wohnung auf etwa 40 Wohnungen reduziert. Der vordere Bereich solle als Mischgebiet ausgewiesen werden, mit der Maßgabe im Bebauungsplan vorzugeben, den Gewerbebereich um etwa die Hälfte zu reduzieren.
Manfred Nodes (Die Grünen) hat beim Redebeitrag von Stephan Sawallich „Wir haben die Mehrheit“ die „Arroganz der Macht rausgespürt“. Nodes ging auf die Situation der Fahrstraße ein und stellte fest „Die Babenhäuser Innenstadt braucht Frequenzbringer und Belebungspunkte“ und zeichnete ein düsteres Bild. „Im schlechtesten Fall kann sich ein mittelständischer Betrieb nicht entwickeln, eine sinnvolle Stadtentwicklung unterbleibt, die Entwicklung in der Kernstadt wird gestoppt, Investoren verlieren Vertrauen in die Stadt Babenhausen als Vertragspartner. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Gewerbetreibenden in die Verlässlichkeit und Belastbarkeit einmal gemachter Aussagen städtischer Vertreter gerät in Gefahr.“

Wolfgang Heil (FWB) ging nur kurz auf den Vorschlag von Manfred Willand ein „das ist nicht annehmbar“ und auch der Wortbeitrag von Manfred Nodes wurde von Wolfgang Heil kritisiert. „Alles was sie sagen, ist pro Stadt, pro Entwicklung, pro Fortschritt und wenn wir nicht in ihre Klischee-Denkkiste passen, dann ist das schlecht für die Stadt, hemmt den Fortschritt und hemmt die Entwicklung“. Wolfgang Heil stellte abschließend fest „Wir sind der festen Überzeugung, dass wir das beste denkbare tun für Babenhausen.“
Dr. Martina Seuß (SPD) hob einige Aspekte vor. „Das Vorhaben, das uns vorgestellt wurde, löst viele Probleme unserer Stadt. Mich stört bei diesem ganzen die Art und Weise wie hier wieder Politik gemacht wird, wie hier versucht wird Meinungen zu bilden.“ die Vorsitzende des Bauausschusses ging auf das Verfahren bei einem Vorhabenbezogenen Bebauungsplan ein und sprach sich für die Ausweisung eines Mischgebietes aus. Abschließend ging sie auf die kontroversen Diskussionen des Abends ein: „Die Art und Weise wie hier gestritten wird, wie miteinander politisch umgegangen wird, ist eine Rückkehr in die Zeiten als Babenhausen das Image der Stadt der Giftmischer erworben hat“. Weiterhin führte sie aus „Es kann und darf nicht sein, das die Politik in Babenhausen, nur die Interessen derer vertritt, die am lautesten rufen“.
Adolf Breer (SPD) ging auf die Verkehrssituation an der Grundschule ein und die geplante Tiefgaragenausfahrt in der Marin-Luther-Straße. Breer schilderte die derzeitige Verkehrssituation an Grundschule und Gymnasium sehr deutlich „Dort herrscht tagtäglich das blanke Chaos“. Die Straße im Kirchgarten sei ein Schulweg und wenn wir jetzt hergehen und diese angedachte Bebauung durchziehen, dann gäbe es an der Schule noch mehr Chaos, fasste Breer die Situation zusammen.
Der Änderungsantrag zum Projekt „Alte Gärtnerei“, Umwandlung in ein Allgemeines Wohngebiet, wurde mit der Stimmenmehrheit von CDU und FWB beschlossen.

Sportgelände an der Offenen Schule - Ein richtig guter Tag für Babenhausen

Die Entwicklung eines bezahlbaren Sportgeländes an der Joachim-Schumann-Schule beschäftigte als nächsten Tagesordnungspunkt das Parlament. Es wurde bei der Aussprache deutlich, dass es bei diesem Sportgelände um den reinen Schulsport geht. Es wäre zwar wünschenswert wenn das Sportgelände von den Babenhäuser Vereinen genutzt werden könnte, diese Entscheidung liegt aber nicht in den Händen der Stadt, sondern beim Landkreis. Für den Ankauf der Grundstücke für das Sportgelände stehen die Haushaltsmittel bereits im städtischen Haushalt (340.000€) und auch der Kreis hat für den Bau der sogenannten „Kampfbahn Typ-C“ bereits Mittel im Kreishaushalt 2019 eingeplant. Fragen des Lärmschutzes, der Zufahrt und der Toilettenanlagen gilt es aber, wie die mögliche Nutzungs für die Babenhäuser Vereine, noch mit dem Landkreis zu besprechen. Die Optimallösung, ein Sportgelände direkt an der Schule, konnte allerdings nicht umgesetzt werden. Der vorgesehene Platz (zur Zeit Ackerfläche im Gebiet „Lachewiesen“) ist vom Schulgelände etwa dreihundert Meter entfernt. Bei drei Enthaltungen stimmten 28 Stadtverordnete, ohne Gegenstimmen, für diesen Beschlussvorschlag.
Als beratendes Gremium der Stadt tritt in Zukunft die seitherige IKEK-Arbeitsgruppe-Tourismus auf, das hat das Stadtparlament mit großer Mehrheit beschlossen. Das sternenförmig gestaltete Narzissenband – eine Idee der Arbeitsgruppe – welches die Babenhäuser Stadtteile miteinander verbinden soll, hat zur Zeit noch Lücken, diesem soll in den nächsten Jahren mit weiteren ehrenamtlichen Pflanzaktionen entgegengewirkt werden.
Als letzter Punkt der Tagesordnung wurde die Satzung zur Erhebung einer Zweitwohnungssteuer besprochen. Ohne größere Diskussion wurde die Steuer mit 18 Ja-Stimmen (CDU/FWB/ FDP) bei 10 Nein-Stimmen (SPD/Grüne) und zwei Enthaltungen (SPD) beschlossen. Die Sitzung wurde um 22.18 Uhr geschlossen.       hz

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