Harpertshausen: 36. Grenzgang mit britischen (Wetter-) Bekenntnissen

Bei den Wanderungen entlang der Harpertshäuser Gemarkungsgrenzen gehört seit 36 Jahren ein Ritual: Die Begrüßung des jüngsten und des am weitesten angereisten Grenzgang-Teilnehmers.

Ortsvorsteher Kurt Kratz hieß nun die erst sieben Monate alte Anouk Keil willkommen, die in ihrem Kinderwagen den Applaus der übrigen 60 Wanderer gelassen entgegen nahm.

Die weiteste Reise hatte Trevor Scott hinter sich. Er lebt in England, unweit von London, und musste während der sieben Kilometer langen Tour mehrmals die Frage beantworten, ob er das regnerische Wetter aus Groß-Britannien mitgebracht habe. Ganz im Gegenteil, so seine Antwort. In England habe man im Landesinneren mehr und mehr mit Hitze- und Dürre zu kämpfen, während an den Küsten die Stürme zunehmen. Der Klimawandel sei auch in seiner Heimat ein großes Thema, sagte Scott. Ebenso wie die Energiewende, die sich in einer großen Zahl von Windkraftanlagen ausdrücke. Sie würden, ebenso wie in Deutschland, nicht von allen befürwortet. „Deutsche und Engländer sind gar nicht so verschieden“, meinte er. Vielleicht mit einem Unterschied: „Die Briten können im selben Moment, in dem sie etwas kritisieren, darüber lachen. Die Deutschen gehen die Dinge mit mehr Ernsthaftigkeit an.“

Beim Gemarkungsrundgang ging es aber nicht ernsthaft zu. Die Wanderung ist stets vergnüglich, die Teilnehmer gut gelaunt. Ganz gleich, ob man durch tiefen Schnee watet, bei frühlingshaften Temperaturen und Sonnenschein unterwegs ist oder ob man - wie dieses Mal - die Regenschirme aufspannen musste. Treffpunkt war wie immer die Linde in der Ortsmitte, wo Kurt Kratz erneut Interessantes aus der Harpertshäuser Geschichte zu berichten hatte. Diesmal ging es um die Schult-heißen Funck, die durch fünf Generationen das Amt des Bürgermeisters in Harpertshausen stellten und die Pächter der Gaylinggüter waren. Schulheiß Funck unterhielt eine Branntwein-Brennerei in der Altheimer Straße 29. Den beliebten Branntwein schenkte nicht nur sein Sohn in der eigenen Gastwirtschaft aus - auch die Wirtsleute in der Umgebung bezogen ihre Weine aus Harpertshausen.

Die Zeiten, da Harpertshausen Gastwirtschaften hatte, sind lange vorbei. Ebenso wie das Holzrücken mit dem Pferd. Tanja Wöber, ab März Revierförsterin in der Gemarkung, hat ihre Diplomarbeit über dieses Thema geschrieben und kam zu dem Schluss, dass das „Rücken“, also das Abtransportieren der gefällten Bäume, mit dem Pferd aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr möglich sei. Während des Grenzgangs wurde stattdessen gezeigt, wie mit modernen Maschinen Holz geerntet wird. Im Waldgebiet Hißlache konnten die Wanderer erleben, wie ein ferngesteuerter Forstspezialschlepper eine frisch gefällte Kiefer aus dem Wald transportierte.

Zuvor hatte Förster Thomas Zinth über die Eibe informiert, einen Baum, der vor mehreren Jahrhunderten die Kriegsführung veränderte. Deren Holz verfügt nämlich über besondere Eigenschaften, die die Entwicklung des Langbogens ermöglichte. Die Wanderer besuchten zudem eine ökologisch wertvolle Altholzinsel, sowie eine Sausuhle, also einen Ort, an dem Wildschweine gewissermaßen ihre Körperpflege betreiben. Bei einem Zwischenstopp und beim wärmenden Imbiss am Schluss der Tour sorgte die Harpertshäuser Feuerwehr für die Bewirtung der Teilnehmer, die nicht nur ausgiebig gewandert waren, sondern mit ihrer Unterschrift auch ihren Teil zum Erhalt des St. Rochus-Krankenhauses in Dieburg leisteten. Die Petition soll, sobald genügend Unterschriften zusammengekommen sind, dem Landrat übergeben werden.   mel

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