Gottesdienste und Bürgerversammlungen sind einander gar nicht so unähnlich. Wie bringt man Leute zu sich? Darum gehe es auch bei den Kommunen, sagt Groß-Umstadts Bürgermeister Joachim Ruppert in seinem Grußwort. Das Thema Finanzen locke eher wenige, gehe es aber um Steuern und die Straßenbeitragssatzung, sei die Halle voll, ist Rupperts Erfahrung. „Die Konkretion macht’s“, bestätigt Stefan Claaß, Professor für Gottesdienst am Theologischen Seminar in Herborn und Sprecher des „Wortes zum Sonntag“ in der ARD.
Wie sieht für mich persönlich ein gelungener Gottesdienst aus? Das konnten die Synodalen mit bunten Stiften – malend oder schreibend – auf Papier bringen. Eine große Sonne ist unter anderem zu sehen, Herzen, Musikinstrumente, Noten, Wurzeln. Berührend soll er sein, spirituell, kurzum: Ich möchte mich mit meinem Leben im Gottesdienst wiederfinden. Am 5. Oktober 1544 habe Martin Luther in seiner Predigt zur Eröffnung der Torgauer Schlosskapelle vom Gottesdienst gefordert, dass nichts anderes darin geschehe, als dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir wiederum mit ihm redeten durch Gebet und Lobgesang, sagt Claaß. Das bedeute: „Gottesdienst ist Dialog.“ Und: „Gott hält den Gottesdienst.“
Das Miterleben in den Gottesdiensten verändere sich, führt Claaß weiter aus, und zwar durch geringere Teilnehmerzahlen und neue Gottesdienstformen. Vier Mal im Jahr würden die Teilnehmenden gezählt. Das Ergebnis: 3,7 Prozent der evangelischen Christen besuchen laut dieser Zählung Gottesdienste. In einer großen Umfrage habe man die Menschen gefragt, wie häufig sie in den Gottesdienst gingen – das Ergebnis sei vier Mal so hoch wie das erhobene. Für Claaß Ausdruck dafür, dass die „gefühlte Verbundenheit“ deutlich höher liege als sie sich tatsächlich darstelle.
Dass Gottesdienste einem Wandel unterliegen, machte Claaß an einem anderen Beispiel deutlich: 1586 gab es mit 3500 Besucherinnen und Besuchern den zahlenmäßig größten Gottesdienst in der Geschichte der Herborner Stadtkirche. Seinerzeit waren die Menschen dazu verpflichtet zu kommen, zudem wurden im Gottesdienst die Nachrichten verkündet. Später wurde die Pflicht gelockert, aber der Gottesdienst war auch Heiratsmarkt. Eine neuere Entwicklung war dann, dass Eltern am Sonntag auf dem Feld arbeiteten und stattdessen die Großeltern und Kinder in den Gottesdienst schickten. Heute sei die Situation so, so Claaß, dass die Menschen in den Gottesdienst gingen, wenn ihnen danach sei. Der Satz „Wenn wir besser wären, würden mehr kommen“ stimme nicht. Denn: „Für viele Familien ist der Sonntagvormittag die einzige Zeit, um gemeinsam zu frühstücken.“
Gottesdienste mit Bezug zum eigenen Leben kommen an
Welche Gottesdienste kommen an? Solche, die eine persönliche Bedeutung im Lebenslauf eines Einzelnen haben, „lebenszyklische Kasualien“, sagt Claaß dazu: Taufe, Konfirmation, Heirat, Tod. Es gebe aber auch neue Kasualien wie Abitur, Schulanfang, Heiligabend – da gingen 57 Prozent in die Kirche –, Ostern oder Erntedank. Nach Schockereignissen wie zum Beispiel der Amoklauf von Winnenden oder das Love-Parade-Unglück in Duisburg seien die Kirchen ebenfalls voll.
Zu beobachten sei zudem, dass kirchenfernere Menschen lieber in Begleitung in den Gottesdienst gingen. „Wir sollten uns nicht an unseren Schwächen, sondern an unseren Stärken orientieren“, sagt Claaß, „wir sind kein geschlossener Verein der religiösen Gefühle.“ Wem begegne ich? Mit wem rede ich? Sich diese Fragen klar zu beantworten, sei befreiend und entlastend. „Für mich persönlich ist der Gottesdienst Herz und Krone“, sagt Dekan Joachim Meyer, daraus empfange er viel Kraft.
Neben der Gottesdienstwerkstatt gab es bei der Frühjahrssynode am Freitagabend auch Beschlüsse: Der Antrag der Kirchengemeinde Messel, beim Dekanat eine Arbeitsgruppe zu bilden, die sich mit den innerkirchlichen Zuständigkeiten bei baulichen Fragen befasst, wurde angenommen. Hintergrund ist der, dass es im denkmalgeschützten Messeler Pfarrhaus einen Wasserschaden gab, der viele Jahre lang nicht bemerkt wurde und dessen Folgekosten sich letztlich auf 40.000 Euro summierten, wovon die Kirchengemeinde nahezu die Hälfte selbst zahlen musste. Das neue Jahresthema 2016/17 im Dekanat lautet „Reformationsjubiläum“, auch das hat die Synode beschlossen.
Die Synode ist das regionale Kirchenparlament des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald. Es vertritt 40 Kirchengemeinden mit rund 60.000 Mitgliedern zwischen Reichelsheim und Babenhausen. (Text/Fotos: S.Rummel)
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