Hermine Grube ist seit 14 Monaten beim Asylkreis Seeheim-Jugenheim. Sie kam durch einen Zeitungsaufruf dazu. Da sie lange in einer Personalabteilung gearbeitet hat, Englisch und Französisch spricht, ist die Arbeitsgruppe Begrüßung für sie das Richtige. Maria Streichsbier und Evelyn Schrader setzen sich in Groß-Bieberau für Flüchtlinge ein. Sie haben die drei iranischen Frauen begleitet, die sieben Monate lang in der evangelischen Kirchengemeinde im Kirchenasyl waren. „Wir erleben Höhen und Tiefen als Paten“, sagen sie.
Die Frauen sind drei von mehr als 100 ehrenamtlichen Patinnen und Paten, die sich in den vergangenen Wochen zu unterschiedlichen Themenblöcken an vier verschiedenen Standorten im Landkreis Darmstadt-Dieburg haben schulen lassen. Andrea Alt vom Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald und Christiane Hucke vom Diakonischen Werk Darmstadt-Dieburg haben die Fortbildungsreihe konzipiert und organisiert; finanziert wurde sie durch das Programm „Menschen stärken Menschen“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In den Schulungen ging es um Asylrecht und Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitsmarktintegration und Umgang mit Behörden, Umgang mit Traumata und interkulturelle Begegnung – mit jeweils wechselnden Referentinnen und Referenten.
Die Schulungsreihe endete mit einem Begegnungsfest am Samstagabend in der Groß-Umstädter Stadthalle mit großem Buffet und Live-Musik. Rund 170 Menschen waren gekommen, die Patinnen und Paten hatten die Geflüchteten mitgebracht.
„Es ist ganz wichtig, dass Sie, die hier sind, Haltung zeigen“, sagte die Kreisbeigeordnete Rosemarie Lück. Das Allerwichtigste sei, „dass wir aufeinander zugehen, dann wird auch, bei allem, was vor uns liegt, die Integration gelingen“. Keine Institution könne Integration leisten, sagte Tobias Lauer, Bereichsleiter für Gemeinwesenarbeit und Migrationsdienste beim Diakonischen Werk Darmstadt-Dieburg. „Begegnung, das ist Integration – die leisten Sie.“
Farbe bekennen – dringender denn je
„Was Sie als Patinnen und Paten für Flüchtlinge tun, ist nicht nur aller Ehren wert, sondern existenziell notwendig“, sagte Dr. Michael Vollmer, Präses des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald. Denn die Ehrenamtlichen trügen entscheidend zur Integration in den Orten und in unsere Gesellschaft bei und gäben den Geflüchteten Hoffnung auf Zukunft.
Existenziell sei ihr Wirken aber auch „für unsere offene Gesellschaft, für unsere freiheitliche Demokratie, für unsere sozialen Beziehungen, für unser so viel zitiertes christliches Abendland“, führte Vollmer weiter aus. Denn derzeit prägten die Feinde der offenen Gesellschaft viel zu sehr das Gesicht Deutschlands, die Worte und Parolen wieder salonfähig machen wollten, die in den dunkelsten Jahren zum Jargon der Herrschenden gehört hätten. „Dagegen müssen wir, gerade die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, aufstehen und Farbe bekennen“, so Vollmer. Und weiter: „In einer offenen und demokratischen Gesellschaft ist kein Platz für Rassismus, Diskriminierung und Hass.“ Er sei dankbar und auch stolz, in einem Land leben zu können, in dem Vielfalt im Alltag sichtbar sei. Die Evangelische Kirche werde sich auch weiter für diejenigen einsetzen, die als Fremde hierher kämen. Getreu dem Auftrag Gottes, den Fremden aufzunehmen, wie er bei Matthäus 25 zu finden sei: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“
Trommelwirbel für Andrea Alt und Christiane Hucke
Vollmer übergab den Patinnen und Paten die Schulungszertifikate und dankte ihnen für ihren Einsatz. „Wo wären wir heute, wenn wir die beiden nicht hätten?“ rief ein Ehrenamtlicher – und meinte Andrea Alt und Christiane Hucke, für die es einen extra Trommelwirbel und extra Applaus gab.
Für die Schulungen gab es viel Lob und Dank. „Sie habe sehr viel gelernt“, sagte Hermine Grube. Der Austausch sei sehr hilfreich gewesen – auf der Inhalts- und der Beziehungsebene, sagte Evelyn Schrader. Die Geflüchteten freuten sich über das Fest: „Solche Veranstaltungen können viel dazu beitragen, einander kennenzulernen“, sagte Zeinab Ghanbari.
Bevor die Gäste mit freudigen Gesichtern die Stadthalle verließen, wurde geplaudert und zu den Klängen von Aziz Kuyateh und seiner zwei Begleiter getanzt und zum Abschluss ein afrikanisches Abschiedslied gesungen.
(Text/Fotos: S. Rummel)
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