Aus dem Archiv der Babenhäuser Zeitung: Leserbrief: Erhöhung der Brot- und Mehlpreise im August 1921

Veröffentlichung: "Wegen Erhöhung der Mehlpreise durch die Reichsgetreidestelle" - aus der Babenhäuser Zeitung vom 13. August 1921  Reproduktion: hz

Die Erhöhung der “Brot- und Mehlkleinverkaufspreise” (siehe obiges Foto, aus der Babenhäuser Zeitung vom 13. August 1921) waren damals von aussergewöhnlicher Bedeutung. Ein Leserbrief der folgenden Ausgabe verdeutlicht dies besonders eindrucksvoll:

"Mit dem 16. August 1921 ist bekanntlich der Preis des Brotes gestiegen. Diese Preissteigerung ist seit Wochen bekannt. Bekannt ist aber auch, dass, wenn zum Beispiel am 16. eines Monats der erhöhte Brotpreis eintritt, die Bäcker bereits am 14. und 15. kein Mehl bzw. Brot zum alten Preis mehr haben. Dieses Verhalten ist schon während des Krieges vor jeder Preissteigerung zu beobachten gewesen und nun vollständig zur Geschäftssitte geworden. So war es auch vor der letzten Erhöhung in Babenhausen der Fall gewesen. Familien, die auf ihre gültigen Karten noch Brot kaufen wollten, konnten nichts bekommen. Gerne hätten Kinder am Montag mittag ein Stückchen Brot gegessen, wenn ihre Eltern beim Bäcker Brot hätten bekommen können. Die Antwort war einfach: „Es ist kein Brot da.“
Ohne Karten war jedoch Brot für 7,50 Mark pro Laib genug zu bekommen und ist auch verkauft worden. Wie ist es möglich, dass man Brot ohne Karten bekommt und auf Karten nicht?
Zum mindesten hätte den Einwohnern, die noch im Besitz von Karten waren, auch am 16. und später noch das Brot zum alten Preis gegeben werden müssen, dass sie ja am 14. und 15. keins bekommen konnten. Im Namen der Gerechtigkeit und im Interesse der ärmeren Bevölkerung müsste gefordert werden:
1. Dass von seiten der Bürgermeisterei Schritte getan werden, dass alle Besitzer von alten Karten noch in den Besitz des Brotes zu dem alten Preis kommen,
2. dass in dieser Angelegenheit Untersuchung eingeleitet wird, an wem die Schuld liegt, am Kommunalverband oder an den Bäckern." Ein Betroffener

In der heutigen Zeit ist solch ein Leserbrief kaum mehr vorstellbar, hat doch eine Studie der Umweltstiftung WWF bereits im Jahr 2015 festgestellt, dass in Deutschland 313 Kilo genießbare Lebensmittel unnötig weggeschmissen werden - pro Sekunde(!). Heutzutage spielt Brot und Mehl augenscheinlich keine Rolle mehr. Im Fokus liegen da eher die Preise von Smartphones, überdimensionalen Fernsehgeräten oder die neuesten Cabrios und SUV’s.
Es wird die Zeit kommen, dass wir die Nahrungsmittel wieder mehr schätzen. Hoffentlich bedarf es hierfür keinen Krieg, keine Umweltkatastrophe oder sonstige schlimme Geschehnisse, sondern einfach nur die Einsicht der Menschen und eine andere Einstellung zu dem, was wirklich wichtig ist.              hz

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