Nabu-Ortsgruppe Langstadt: Manche Äpfel haben Kanten

Nein, der Danziger Kantapfel verdankt seinen Namen nicht Immanuel Kant. Der Philosoph war weder in Danzig zu Hause noch hatte er eine Vorliebe für eine bestimmte Apfelsorte. Doch woher stammt der sonderbare Name dann?

„Schaut man sich die Frucht von oben - also vom Stil her - an, erkennt man, dass der Apfel nicht  rund ist, sondern eine eher kantige Form hat“, erläutert Dirk Diehl (Foto). Eine einfache Erklärung also für ein erstaunliches Phänomen. Denn der Danziger Kantapfel ist ein gutes Beispiel für die enorme Vielfalt, die eigentlich auf unserem täglichen Speiseplan stehen könnte.
Mehrere Hundert Apfelsorten gibt es – kleine und große, süße und säuerliche, runde und kantige. Es gibt sie in zahllosen Farben, von zartem Grün bis zu kräftigem Dunkelrot. Doch trotz der Buntheit und Fülle an den Bäumen finden Kunden nur fünf oder sechs Sorten in den Supermarktregalen. Gäbe es Gruppen wie den Nabu-Ortsverein in Langstadt nicht, wären die meisten Apfelsorten bereits verschwunden und mit ihnen so schöne Namen wie „Danziger Kantapfel“.
Denn dieser und andere alte Sorten wie „Goldparmäne“, „Landsberger Renette“ und „Schafsnase“ wachsen nicht in Plantagen. Sie gedeihen vielmehr auf Streuobstwiesen, die in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts überall in Deutschland angelegt wurden. Auf jenen Obstwiesen, die nicht Wohn- und Gewerbegebieten, Straßen oder Ackerflächen weichen mussten, gibt es daher fast 100 Jahre alte Baumbestände.
Die Baum-Rentner bringen oft kaum noch Ertrag. Doch darum geht es bei der Bewirtschaftung der Streuobstwiesen ohnehin erst an zweiter Stelle. Die Wiesen sind vielmehr ökologisch wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren sowie bedeutende kulturhistorische Elemente, die den ländlichen Raum über Jahrzehnte prägten. Beides zu erhalten, haben sich die Langstädter Naturschützer zur Aufgabe gemacht. In den achtziger Jahren kaufte die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) das erste Baumgrundstück „Am Wingertsberg“ zwischen Langstadt und Schlierbach. Weitere Flächen kamen dazu, sodass die Nabu-Ortsgruppe heute knapp 3,5 Hektar in deren Auftrag pflegt und bewirtschaftet.
Was wie ein kleinbäuerliches Idyll wirkt, bedeutet gerade jetzt, im Spätsommer, viel Arbeit. Die Früchte von mehr als 300 Bäumen – überwiegend Äpfel, aber auch Birnen und Nüsse – müssen geerntet werden. Zweimal im Jahr werden die Wiesen gemäht, und nicht zuletzt brauchen die Bäume im Abstand von drei bis vier Jahren einen fachmännischen Schnitt. Beim Anblick der Kisten und Kartons, bis zum Rand mit frisch gepflücktem Obst gefüllt, vergisst man leicht, wie viel Arbeit für die Ernte nötig ist.
Doch die Mühe lohnt sich, findet Susanne Diehl. „Beim Herbstmarkt auf der Veste Otzberg am ersten Oktoberwochenende verkaufen wir die Äpfel frisch aus der Kiste oder getrocknet als Apfelringe.“ Mit dem Verkauf wollen die Naturschützer nicht nur etwas Geld für Erhalt und Pflege der Streuobstwiesen generieren. „Wir möchten den Menschen auch die große Vielfalt bewusst machen, die unweit ihrer Haustür wächst. Wenn jemand bei uns ein Aha-Erlebnis hat, weil er zum ersten Mal bemerkt, dass jede Apfelsorte anders riecht und schmeckt, dann weiß man, dass sich die Arbeit noch lohnt.“ Denn in den vergangenen Jahren habe sich einiges verändert. „Wir bemerken die Klimaveränderungen auch auf den Wiesen“, berichtet Diehl. Was in den Fachbüchern steht, die sich Jahrzehnte lang bewährt hatten, passe heute oft nicht mehr. „Die Zeitpunkte für die Ernte haben sich verschoben, ebenso wie die Eigenschaften der Äpfel.“ Manche seien nicht mehr so lagerfähig wie einst, andere hätten durch die längere, intensivere Sonneneinstrahlung ihre typische Säure verloren.
Zudem sei der Anblick leergepflückter Bäume für die Besitzer von Streuobstwiesen ein Ärgernis, das immer häufiger vorkomme. Mitunter würden ganze Steigen voll Obst abtransportiert. „Die Dreistigkeit und das fehlende Unrechtsbewusstsein haben deutlich zugenommen. Da hat es auch in der Gesellschaft eine Art Klimawandel gegeben.“                                 mel

 

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