Reformationsjubiläum: Mittelalter-Spektakel mit Theater und Marktständen

„Die Reformation in Babenhausen“ wurde mit Pfarrer Frank Fuchs als Erasmus Alberus besetzt. Den Part der Erzählerin las Merle Munzel. Burkhard Schimpf mimte Martin Luther, Mina Munzel die Schülerin Kunigunde. Renate Hartmann war die Gemahlin von Graf Phillip IV, der von Helmut Pfau gespielt wurde. Weitere Rollen waren von Emanuel Fuchs als Schüler Godehard und David Jocham als Amtmann des Grafen belegt.

Am Thema „Luther“ kam im 500. Jubiläumsjahr der Reformation wohl niemand vorbei. Krönender Abschluss sollte aber ein Feiertag für alle Bürger im Lande sein und so manche Gemeinde arbeitete monatelang an einem würdigen Programm für diesen Tag, denn schließlich gilt der 31.10.1517 als der Geburtstag der evangelischen Kirche. So war es auch in Babenhausen und das erarbeitete Fest-Programm konnte sich sehen lassen!

Bereits vor dem angekündigten Festbeginn um 12 Uhr tönten die Klänge des evangelischen Posaunenchors aus Langstadt über den Marktplatz und lockten die Gäste zum Gotteshaus, wo pünktlich zur Mittagsstunde die Marktstände eröffnet wurden. Mit viel mittelalterlichem Flair konnte man sich an den Ständen mit Speis und Trank eindecken. Voraussetzung war jedoch ein Besuch in der Wechselstube, wo man „Barbarengeld in Thaler wechseln“ konnte. Kaum hatte man sich einen Überblick über das Angebot gemacht, läutete Helmut Pfau mit Schellen für Aufmerksamkeit. Auf der kleinen Bühne im Vorderen Kirchenbereich konnte man nun dem Zwiegespräch zwischen Luther und einem schelmischen Bauern lauschen, der wie viele seiner Zeitgenossen keinerlei Reue für seine zahlreichen Sünden zeigte und stattdessen stolz seinen Sündenerlass-Zettel schwenkte. Überzeugend gespielt wurde diese kurze Szene von Tatjana Herbst und Pfarrer Philip Messner aus Langstadt, die damit für die Zuschauer eindrücklich darlegten, was genau Luther damals mit seiner Kritik an der Kirche ändern wollte.
An sämtlichen Marktständen und Aktionsflächen trugen die rund 30 Akteure und Aussteller mittelalterliche Gewandung und konnten so leicht von den sehr zahlreichen Besuchern unterschieden werden, was auch in der Absicht der Planer lag. Jeder schaute zunächst, was er selbst im mittelalterlich-schlichten Stil zuhause im Kleiderschrank finden konnte und dann wurde mit ausgeliehenen Kostümen des Seligenstädter Heimatbundes aufgefüllt. Meist waren nur noch Hauben und Oberteile nötig, denn etwas Einfarbiges fanden die meisten bei sich im Schrank. Notfalls wurde ein geblümtes Sommerkleidchen eben auf links gezogen getragen, wie es Renate Schneider verschmitzt zugibt.
Das zehnköpfige Orga-Team setzte sich aus Mitgliedern der Kirchenvorstände aus vier Gemeinden zusammen: Babenhausen, Harreshausen, Langstadt und Sickenhofen. Gemeinsam wollte man das Reformationsjubiläum begehen und bekam für dieses Projekt Zuschüsse vom Dekanat. In mehreren Treffen als Team und viel organisatorischem Handeln vor Ort zum Akquirieren der Aussteller wurde eine runde Sache aus einer anfänglich sperrigen Idee.
Vor der Kirche bot Didi’s Hofladen aus Schaafheim frisch gebackenes Holzofenbrot, selbstgemachte Liköre und Marmeladen, Sirup, Deko und vieles passend zum Thema Mittelalter an. In der Kirche konnte man leckere Brotsuppe am Stand der Harreshäuser Gemeinde erstehen, die Babenhäuser hielten Würstchen vom Metzger Heil, Kochkäse und Schmalz vom Ranishof und Bier von der Michelsbräu feil. Die Kuchentheke war reichlich von den Langstädter Hobbybäckerinnen bestückt und die Sickenhöfer hatten Plätzchen beigesteuert. Echte Luther-Plätzchen wurden von Monika Heinleins Schülern gebacken und so ging bestimmt niemand hungrig durchs Gotteshaus. So mancher Gast suchte sich ein ruhiges Plätzchen auf der Empore, von wo aus man dem Treiben gut zusehen konnte.
Die Schulseelsorge der OSB hatte im letzten Schuljahr ein Projekt angeboten, das sich anlässlich des Jubiläums mit den Begriffen „Gnade und Gnädigkeit“ auseinandersetzte. Auf Staffeleien zeigte Ruth Selzer-Breuninger einige Bilder und Texte, die neben kleinen Filmchen und Skulpturen zu diesem Thema entstanden sind. Rund 20 Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs näherten sich so den zunächst sperrigen Begriffen aus einer anderen Zeit an und es entwickelte sich ein Raum, in dem es sich für die Jugendlichen bequem leben ließ.
Aus Ölen und Ziegenmilch hergestellte Naturseifen und Kerzen aus Bienenwachs lockten mit ihrem Duft die Kundschaft an den nächsten Stand. Mit blumigen Worten mittelalterlichen Ursprungs verwickelte Steffi Welters die Dahergereisten geschickt in ein Gespräch über Met und Honig und Religion. Des Lateinischen mächtig vermittelte sie die Absichten des Grafen Phillip IV zu Lichtenberge, der da anordnete „cuius regio eius religio“ (als Herrscher eines Landes war er berechtigt, die Religion seiner Bewohner vorzugeben) und zur Umsetzung den Erasmus Alberus nach Babenhausen schickte, auf dass er die Bürger die richtige Religion lehre. Dass Welters dabei geschickt die eine oder andere Ware vom Imker Hartmann verkaufte, sollte diesem nur Recht sein.
Spielende Kinder vergnügten sich mit den einfachen Zeitvertreiben wie Steinchenschnickern und ein Bastelangebot durfte natürlich auch nicht fehlen: da konnte man auf die Ideen aus der Sommerbibelwoche zurückgreifen. Ein paar Schritte weiter bot Anke Schemion für nur einen Thaler eine Zeitreise an, von der man mit einem Beweisfoto mit Luther zurückkehrte. Dazu passend lagen Kleidungsstücke und Accessoires bereit, um im Mittelalter nicht unangenehm aufzufallen.
Schließlich traf man auf die „Tür der Schloßkirche zu Wittenberg“, an der die 95 Thesen angeschlagen waren, die Luther vor 500 Jahren zur Diskussion mit den Gelehrten verfasst hatte. Ob er die wohl heute noch so formulieren würde?
Schellengeläut ließ es wieder leise werden in der Kirche und der Kirchenchor aus Langstadt unter der Leitung von Dieter Haag sang einige der Lieder, die zwar nicht von Luther selbst, aber von seinen Zeitgenossen geschrieben wurden. Viele der sehr einprägsamen Melodien befinden sich noch heute im Gesangbuch und es ist schier unverständlich, dass bis vor 500 Jahren ausschließlich die Geistlichen mit lateinischen Gesängen die Gottesdienste gestalteten und das Volk lediglich mit kurzen Antworten beteiligt war. Um diese Wandlung in der Gottesdienstordnung deutlich zu machen, bezog der Kirchenchor auch die Besucher mit ein und ein beeindruckender Zwiegesang entstand: „Lasst uns miteinander singen, loben und danken dem Herrn!“
Die letzte Darbietung des Nachmittags hatte seine Uraufführung zum Pfingstfest der Gemeinden auf dem Marktplatz und nach damals wochenlangen Proben bedurfte es dieses Mal nur ein Treffen zum Auffrischen des Theaterstücks. Geschrieben von Ute Wittenberger, wurden die Dialoge von kirchlicher Seite um einige historische Zitate Luthers ergänzt. So erzählte das Stück auf humorvolle Weise „Die Reformation in Babenhausen“, was mit viel Applaus der dicht gedrängten Zuschauer belohnt wurde.
Als Abschluss der Feierlichkeiten gab es die Möglichkeit, dem offiziellen Festgottesdienst aus der Schlosskirche in Wittenberg, live auf Großbildleinwand übertragen, beizuwohnen. Dazu hatte Bernd Knöll extra eine Satellitenschüssel an der Kirche angebracht und übernahm auch im Innenraum die technische Leitung.
Der Gottesdienst wird von Pfarrer Messner aus Langstadt angekündigt und eine feierliche Stimmung legt sich über die Kirchenbesucher.     kb

(Mehr Fotos in den Galerien.)

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