Der Eingangsbereich des Langstädter Bahnhofsgebäudes ist voll von Überbleibseln längst vergangener Tage. Auch wer kein Eisenbahnfan ist, wird schnell zum Nostalgiker beim Anblick des weißen Emailleschilds mit der Aufschrift „Fahrkartenausgabe“, der dunkelblauen Schaffnermütze und den leicht vergilbten Fotos aus der Zeit, als Schalter- und Wartehalle in Langstadts Bahnhof noch von Bahnreisenden genutzt wurden, das Obergeschoss noch bewohnt war.
Etwas anstrengen muss man sich schon, um all die liebevoll zusammengetragenen Reliquien aus der 135 Jahre währenden Geschichte des Bahnhofs erkennen zu können. Denn im Bahnhofsgebäude gibt es schon lange keine Lampen mehr; nur wenige provisorisch installierte Strahler erhellen am Freitagabend den Eingangsbereich. Auf Treppenstufen und Fenstersimsen stehen Teelichter. Eine Heizung gibt es nicht - viele, die sich in der einstigen Schalterhalle versammelt haben, tragen dicke Winterjacken oder haben wärmende Decken mitgebracht.
Dennoch harren sie drei Stunden aus, denn an diesem Abend werden - um auch sprachlich beim Bahnhofsthema zu bleiben - die Weichen für die Zukunft des Gebäudes und die kulturelle Vielfalt des Ortes gestellt. Ein Trägerverein soll gegründet werden, der das Haus mit kulturellen Angeboten füllt. Zur Gründungsversammlung sind knapp 50 Personen gekommen, am Ende wird Frank-Ludwig Diehl vom Langstädter Ortsbeirat die Namen von 28 Gründungsmitgliedern verlesen. Zuvor geht es an die Details der Vereinssatzung. Der formale Akt dauert fast zwei Stunden, ist aber unvermeidlich, denn das Projekt „Kulturbahnhof Langstadt“, so der Vereinsname, soll auf einem soliden Fundament stehen.
Ziel des Vereins ist es, soziale, mediale, kulturelle und künstlerische Angebote nicht nur in Langstadt, sondern in der Region zu fördern. Kulturelle Projekte mit urbanem Charakter sollen die Region bereichern, ein sozialer Treffpunkt soll entstehen. Kooperationen mit Schulen und Unternehmen aus der Umgebung sind geplant, Kontakte mit der Hochschule Darmstadt sind bereits geknüpft worden. Auch der Erhalt und die Pflege des historischen Bauwerks sind Aufgaben des Trägervereins.
Bis die Ehrenamtlichen ihre Arbeit aufnehmen können, wird noch einige Zeit vergehen. Denn der Bahnhof, den der Groß-Umstädter Handwerksmeister Hans Goll erworben hat, muss zunächst aufwendig saniert werden. Bislang sei nicht abschließend geklärt, ob die Bauarbeiten noch in diesem Jahr beginnen können, sagt er. Der Baubeginn ist nicht zuletzt abhängig von der Fördermittelzusage des Regionalmanagements. Die Initiatoren sind zuversichtlich, dass der Langstädter Kulturbahnhof in den nächsten Förderzyklus des europäischen Leaderprogramms aufgenommen wird.
Die Mitglieder des neuen Trägervereins wählten Martin Münch, Klaus Schüller und Alexander Ruzicka als gleichberechtigten Vorstand. Schatzmeisterin ist Petra Stützer, die Kassenprüfer heißen Beate Ruzicka und Jan Goll. Beisitzer sind Silke Maaty, Ben Brickmann, Franziska Kloepfer (22) und Marc Brockius (20). Die beiden letztgenannten bringen trotz ihres jugendlichen Alters reichlich Erfahrung in verschiedenen Medienprojekten mit und wissen, was der Jugend auf dem Land fehlt. „Wir möchten hier anspruchsvolle Kultur- und Kunstangebote für junge Menschen installieren, für die sie bislang in die Großstädte fahren mussten“, sagt Kloepfer. mel
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