Helmut Mahr (86) ist Heimatkundler und gilt als das Gedächtnis des Babenhäuser Stadtteils Sickenhofen. Die Schrecken der Nazizeit hat er als Kind und Jugendlicher selbst erlebt. Zudem hatte er regen Briefkontakt mit Freunden und Nachbarn zweier jüdischer Familien, die in Sickenhofen Zuhause waren. Zum Gedenken an die jüdischen Familien Frank und Kahn wurden nun vor deren einstigen Wohnhäusern in der Sachsenhäuser- und der Hergershäuser Straße je vier Stolpersteine verlegt.
Künstler Gunter Demnig, der Schöpfer der Stolpersteinaktion, hat europaweit schon etwa 45.000 Steine verlegt und damit die größte dezentrale Gedenkstätte der Welt geschaffen. Bevor er in Sickenhofen die schlichten Messingquader in die Gehwege einbettet, erinnert Mahr an das Leben der deportierten und in Konzentrationslagern ermordeten Familie Frank. Bis zum Jahr 1932 hätten die Sickenhöfer mit den jüdischen Mitbürgern in Harmonie gelebt, sagte er. „Freud und Leid wurden gemeinsam erlebt und getragen, die Geburt der Kinder, sowie religiöse Feste gefeiert.“ Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten habe sich das Verhältnis radikal geändert.
Juden wurden als „Unglück der Deutschen“ bezeichnet, im Ort Tafeln mit entsprechenden Schmähungen aufgestellt. Wie viele andere musste auch Familie Frank ihr Geschäft aufgeben, erhielt keine Lebensmittelmarken mehr. Auch in Sickenhofen habe es Fälle von Verleumdungen gegeben, seien Nachbarn angezeigt worden, die sich weiter zur Freundschaft mit Juden bekannten.
Helmut Mahr betonte die zweifache Bedeutung der Stolpersteine. Sie seien Erinnerung an einzelne Schicksale, aber auch stummer Aufruf an die Bevölkerung, sich nie mehr von einem Sog des Hasses mitreißen zu lassen. Erster Stadtrat Kurt Lambert wies darauf hin, dass es auch Kritiker der Stolpersteinaktionen gebe. Die in die Oberfläche eingravierten Namen der Opfer würden mit Füßen getreten, so deren Argumentation.
„In Babenhausen sieht man dies anders. Wir sind derselben Auffassung wie der Initiator des Projekts, Gunter Demnig, der sagt, indem man über die Steine stolpert, verneige man sich noch einmal vor den Menschen.“ Die Stadt stellte für das Projekt, das in Langstadt begann und in weiteren Stadtteilen fortgesetzt werden soll, 10.000 Euro im Etat bereit. Die Stadträte finanzierten privat je einen Stolperstein. In Sickenhofen spendeten die Bürger zudem 1.800 Euro. Den Menschen im Ort sei es wichtig, einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte zu leisten, sich dem schmerzhaften Teil der Dorfhistorie zu stellen, sagte Ortsvorsteher Friedel Sahm. „Mit einer Gedenkstation an das jüdische Leben im Ort wollen wir einen weiteren Beitrag dazu leisten.“ Sie wird in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Büro für Erinnerungskultur gestaltet und soll an der Brücke in der Sachsenhäuser Straße errichtet werden. mel
Kommentare