Anzeigen in den einschlägigen Fachblättern seien daher ohne Erfolg geblieben. Dass Ebell am 1. September seine Praxis doch an einen Nachfolger übergeben kann, seine 1300 Kassen- und 150 Privatpatienten nicht befürchten müssen, ab Herbst vor verschlossenen Türen zu stehen, ist einem Zufall und der Mutter von Bürgermeister Carsten Helfmann zu verdanken.
„Anfang des Jahres musste meine Mutter den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Dietzenbach in Anspruch nehmen, kam dort mit Ärztin Heike Berger ins Gespräch“, erzählt Helfmann. Sie stellte den Kontakt mit der Gemeinde her, die am Jahresbeginn einem dramatischen Hausärztemangel in Eppertshausen entgegensah. Ursprünglich gab es in der Gemeinde drei KV-Sitze, also Stellen für Ärzte mit einer Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Als Allgemeinmediziner Wolfgang Trausmuth vor knapp vier Jahren seine Kassenzulassung zurückgab, sich auf die Behandlung von Privatpatienten fokussierte, zeichneten sich erste Lücken in der Gesundheitsversorgung der etwa 6100 Eppertshäuser Bürger ab. Mit Blick auf das Alter der beiden verbliebenen Kassenärzte – Volker Kühnscherf ist heute ebenfalls im Rentenalter, will aber weiter praktizieren – entschlossen sich Gemeindevorstand und Parlament zu einem ungewöhnlichen Schritt. Im März stand die Privatpraxis von Wolfgang Trausmuth zur Zwangsversteigerung an, Bürgermeister Helfmann trat als Bieter auf und erhielt für die Gemeinde den Zuschlag.
Die Räume sind modern ausgestattet, bieten Platz für eine Gemeinschaftspraxis zweier Ärzte, die die Räume von der Gemeinde mieten können. Da die Miete kalkulierbar ist, keine hohen Investitionen in die Ausstattung anfallen, wird die Landarztpraxis für junge Mediziner nun attraktiv. „Wir haben dem vorherigen Eigentümer angeboten, dort weiter zu praktizieren, unter der Voraussetzung, dass er die Kassenzulassung wieder aufnimmt“, sagt Carsten Helfmann. Auch Ärztin Heike Berger habe mit Wolfgang Trausmuth über eine Zusammenarbeit mit ihr gesprochen. Doch beides kam für ihn nicht infrage. Nun wird die Gemeinde dem Arzt die Kündigung aussprechen. „Wir sind seit Anfang Juni offiziell Eigentümer der Praxis im Sandweg“, sagt Helfmann mit Verweis auf die Zuschlagsbeschwerde, die der Insolvenzverwalter des Privatarztes eingelegt hatte. Das Landgericht Darmstadt hat die Beschwerde jedoch abgewiesen, die Rechtmäßigkeit des Kaufs bestätigt. Inklusive aller Nebenkosten investierte die Gemeinde gut 400000 Euro in das Objekt.
Trausmuth ist derzeit Mieter, doch das wird sich ändern. „Der Praxiserwerb macht nur Sinn, wenn davon die Mehrheit der Eppertshäuser profitiert, sich also Kassenärzte hier niederlassen“, sagt der Bürgermeister. Eine von ihnen ist Heike Berger, die seit 2012 in Obertshausen 1100 Patienten hausärztlich versorgt. Dies will sie auch weiterhin tun. „Ab September werde ich je 20 Stunden wöchentliche Sprechzeit in Obertshausen und Eppertshausen anbieten“, sagt die Fachärztin für Allgemeinmedizin, die zudem als Bereitschaftsärztin in Dietzenbach und Groß-Umstadt arbeitet.
Ende des Jahres wird Berger den Bereitschaftsdienst einstellen, sich nur noch um die beiden Praxen kümmern. Die Praxis von Carl Christian Ebell hat sie übergangsweise gemietet, bis das Objekt im Sandweg frei wird. Denn: „Mit Ebells Ruhestand wäre ein weiterer KV-Sitz in Eppertshausen weggefallen, die Versorgung von 1300 Bürgern fraglich gewesen“, sagt Helfmann. Geplant ist, dass Heike Berger später die Praxis im Sandweg mietet, die von Ebell übernommenen Patienten dorthin mitnimmt. Für eine Gemeinschaftspraxis hat die Gemeinde bereits einen zweiten Arzt im Visier, denn schon bald soll es in Eppertshausen wieder 2,5 KV-Sitze geben. mel
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Nach 30 Jahren gibt Carl Ebell seine Hausarztpraxis und 1450 Patientenakten an Allgemeinmedizinerin Heike Berger weiter.
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