Veranstaltung in der Reihe „Beziehungsweise(n)“ des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald: Gott ist nicht da oben

Der ehemalige Benediktinermönch Anselm Bilgri wirbt für einen neuen Zugang zum Gottesbegriff

Auf Einladung des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald sprach der ehemalige Benediktinermönch Anselm Bilgri in der Stadtkirche Babenhausen über Gott und Gottesbilder. Vorne: Dekan Joachim Meyer.

Gott ist ein netter alter Mann, er hat einen langen Bart und schwebt hoch oben auf einer Wolke: Viele Menschen mögen genau dieses Bild im Kopf haben, wenn sie an Gott denken. „Bilder engen uns immer ein und legen uns fest“, warnte Anselm Bilgri. Fast dreißig Jahre lang war Anselm Bilgri Benediktinermönch, zuletzt als Prior im Kloster Andechs. 2004 trat er aus dem Kloster aus und wurde Gesellschafter des von ihm mitbegründeten Beratungsunternehmens Anselm Bilgri – Zentrum für Unternehmenskultur“. Seit 2008 ist er vor allem als Vortragsredner, Coach, Dozent und Autor tätig. Im März 2013 hat er mit zwei Partnern die „Akademie der Muße“ gegründet, um Menschen bei der Entschleunigung des Lebens zu unterstützen.

Auf Einladung des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald referierte Bilgri am Donnerstagabend in der Stadtkirche Babenhausen zum Thema „Gottesbeziehungen“. Der Vortrag war Teil des Dekanats-Jahresthemas „Beziehungsweise(n)“. Ausgehend davon, dass immer mehr Menschen den Kirchen den Rücken kehren, unternahm Bilgri vor rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörern im lockeren Plauderton einen Streifzug durch die Geschichte, von der Antike über die Aufklärung bis in die Moderne. Sein Ansatz: Die Theologie muss sich um eine zeitgemäße Beantwortung der Gottesfrage bemühen.
Ihm gefalle der Ansatz des Religionsphilosophen Paul Tillich besonders gut, der davon ausgehe, dass wir „mit unserer Rede über Gott unser altes Weltbild transportieren“, indem wir ihn nach oben setzen, so Bilgri. Tillich empfehle, den Begriff Höhe durch Tiefe zu ersetzen. Auf die Welt bezogen würde das bedeuten: „Gott ist ihr inwendig.“ Damit seien wir auf dem Weg der Kontemplation und Mystik.
„Bilder prägen die Menschen viel mehr als trockenes Katechismuswissen“, führte Bilgri weiter aus. Er empfahl, die Bibel mit einem anderen Verständnis zu lesen, nicht wissenschaftlich, sondern so, als seien die Geschichten wirklich wahr. Nur dann könnte deren tiefe Wahrheit den Menschen helfen, mit ihrem Leben besser umzugehen. „Das Erstaunliche ist, dass Texte, die kaum etwas Historisches haben, unheimlich aus sich heraus sprechen“, sagte Bilgri.
Das ermögliche auch einen neuen Zugang zum Gottesbegriff. Gottes Liebe sei bedingungslos, sie sei den Menschen vorauseilend geschenkt, nicht als Folge oder Belohnung für ein bestimmtes Verhalten. Im hebräischen Original seien die Zehn Gebote auch nicht als „Du sollst nicht“ formuliert, sondern als „Du wirst“. Das ethisch-moralische Verhalten der Menschen sei die Antwort auf Gottes bedingungslose Liebe, es liege an jedem Einzelnen, dieses Angebot anzunehmen. Die Zehn Gebote ließen sich auf eine goldene Regel herunterbrechen, die auch für Atheisten geeignet sei: „Alles was ihr also von anderen erwartet, das tue auch ihnen.“ Aufgabe des Menschen sei, ein Leben lang an sich zu arbeiten.
Wie ist das ewige Leben zu verstehen? wollte ein Mann wissen, dessen Frau vor Kurzem gestorben ist. Obwohl er am Verbrecherpfahl gestorben sei, lebe Jesus Idee, sein Geist weiter, antwortete Bilgri. „Das ist für mich Auferstehung.“ Es helfe, mit der Grundangst vor dem Tod umzugehen. „Gott ist unendlich und kann alles sein, er traut uns ganz viel zu“, fasste eine Besucherin ihre Gedanken zusammen. Dieses Verständnis sei eine große Bereicherung für sie. Und zu Bilgri sagte sie: „Danke!“

(Text/Foto: S.Rummel)

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