Ehrenamtliche Richterin: Landesehrenbrief für Gülseren Sahm aus Harpertshausen

Gülseren Sahm erhielt jüngst für ihren ehrenamtlichen Einsatz den Landesehrenbrief.

Vor 50 Jahren verließ die Familie von Gülseren Sahm die Türkei, um in Deutschland zu arbeiten und eine neue Existenz aufzubauen. Neun Jahre alt war Gülseren Sahm damals. Schon als junges Mädchen war es ihr wichtig, sich im neuen Land heimisch zu fühlen, sich zu integrieren.

Bis in die achtziger Jahre sei dies oft nicht einfach gewesen, erzählt sie. „Obwohl mein Mann Deutscher ist, war es für uns schwer, eine Wohnung zu finden. Viele Vermieter wollten keine Ausländer in ihrem Haus.“ Da habe es wenig geholfen, dass sie Deutsch wie ihre Muttersprache beherrschte, einen sicheren Arbeitsplatz hatte, sich längst als Deutsche fühlte. Entmutigen ließ sich die heute 59-Jährige aus Harpertshausen dadurch nicht. Vielmehr begann Sahm, die seit 1993 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, schon früh, sich beruflich und privat für andere einzusetzen.
„Ich wollte immer soziale Verantwortung übernehmen, zu etwas mehr Gerechtigkeit beitragen“, sagt sie. Seit mehr als 40 Jahren ist Gülseren Sahm bei Continental in Babenhausen beschäftigt, trat der Gewerkschaft IG Metall bei, wurde dort schon in den siebziger Jahren zur Vertrauensperson gewählt. Dem Betriebsrat gehörte sie 20 Jahre lang an, hatte acht Jahre den stellvertretenden Vorsitz.
„Ich habe mich für die Rechte der Arbeitnehmer eingesetzt, dabei meist versucht, zwischen beiden Seiten zu vermitteln“, erzählt sie. Schmunzelnd fügt sie an: „Wenn ich den Eindruck habe, dass das Ergebnis noch nicht perfekt ist, kann ich aber auch stur sein und ausdauernd verhandeln.“
Für ihre engagierte Gewerkschaftsarbeit wurde Gülseren Sahm 1995 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog ausgezeichnet. Die IG Metall habe ihr danach vorgeschlagen, auch als ehrenamtliche Richterin am Arbeits- und Sozialgericht tätig zu werden. „Durch die Arbeit im Betriebsrat hatte ich viel Erfahrung gesammelt und kannte mich gut mit der Gesetzgebung aus“, erzählt Sahm.
2001 wurde sie erstmals zur ehrenamtlichen Richterin am Arbeits- und Sozialgericht in Darmstadt ernannt. Durchschnittlich fünf- bis sechsmal pro Jahr werde sie gerufen, um mit einem weiteren Ehrenamtlichen, der von der Arbeitgeberseite berufen wurde, sowie einem hauptamtlichen Richter zu arbeiten. Neben den fachlichen Kenntnissen sei die Menschenkenntnis  ebenso wichtig für die Tätigkeit.
„Bei den Fällen, die vor dem Arbeitsgericht verhandelt werden, geht es meist um Kündigungen oder Abmahnungen. Die Arbeit beim Sozialgericht ist vielfältiger; dort geht es um Rente und Elterngeld ebenso wie um ablehnende Bescheide oder Kürzungen bei Hartz IV.“ Nach 15 Jahren als ehrenamtliche Richterin gebe es noch immer Fälle, in die sie sich lange einarbeiten, für die sie Sozialgesetzbücher studieren und intensive Gespräche mit den beiden anderen Richtern führen müsse.
Einmal im Jahr nimmt Gülseren Sahm an einer Schulung teil, bei der die Ehrenamtlichen über die aktuelle Gesetzeslage informiert werden, fiktive Fälle bearbeiten, sich über ihre Tätigkeit austauschen können. „Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der man sehr sorgfältig arbeiten muss“, sagt Sahm. Zugleich weite die Tätigkeit den eigenen Horizont, wirke sich positiv auf die Arbeit im Betriebsrat aus und helfe, den „Tunnelblick“ zu vermeiden, der sich nach Jahrzehnten im gleichen Unternehmen entwickeln könne.
Für ihre langjährige, engagierte Arbeit als ehrenamtliche Richterin erhielt Gülseren Sahm nun von Landrat Klaus Peter Schellhaas den Landesehrenbrief. „Die Auszeichnung freut mich sehr, denn sie setzt einen perfekten Schlusspunkt hinter meine Tätigkeit bei Gericht, mit der ich Ende 2016 aufhören werde.“ Auch sei sie stolz darauf, dass mit der Ehrung ihre eigene gelungene Integration sowie ihre Bemühungen für andere ausländische Mitbürger gewürdigt wurden.      mel

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