„Wer Misstrauen sät, wird nie Vertrauen ernten”

Benediktinerpater Notker Wolf macht sich in Babenhausen auf Einladung des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald Gedanken über die Angst

„Schluss mit der Angst – Deutschland schafft sich nicht ab!“ ist eines der aktuellen Bücher von Notker Wolf und dasjenige, das wunderbar zum Jahresthema „Fürchtet euch nicht“ des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald passt. Mit den Ängsten ist es so eine Sache, das zeigte sich gleich in der Anekdote, die der Benediktinerpater eingangs erzählte.

Während einer Taxifahrt in Bogota zum hiesigen Kloster wurde ihm immer mulmiger, weil der Taxifahrer ihn ständig beobachtete. Als sie irgendwann im Kloster angekommen waren, stellte sich heraus, dass auch der Taxifahrer die ganze Zeit über Angst hatte, sein Fahrgast würde ihm etwas antun.
Auf Einladung des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald war Notker Wolf kürzlich in der sehr gut besuchten Babenhäuser Stadtkirche zu Gast. Für ihn gehe ein Traum in Erfüllung, sagte Dekan Joachim Meyer bei seiner Einführung und outete sich damit als Fan von Notker Wolf. Dieser trat als Sohn eines Schneiders 1965 in das Kloster St. Ottilien ein, wurde 1968 zum Priester geweiht und 1971 als Professor an die Päpstlichen Hochschule Sant’Anselmo in Rom berufen. Ab 1977 war er Erzabt von St. Ottilien und von 2000 bis 2016 schließlich Abtprimas aller Benediktiner und damit in der ganzen Welt unterwegs. Die Reiseerfahrung präge Notker Wolfs Leben und Glauben, sagte Meyer, dabei sei die Querflöte seine ständige Begleiterin gewesen. Und so passte es auch, dass die Jugendband Sonority unter der Leitung von Ralph Scheiner an diesem Abend immer wieder Rockiges und Nachdenkliches spielte.
Mit Realismus, Selbstbewusstsein und Gottvertrauen gegen die Angst
„Wenn wir der Angst begegnen wollen, brauchen wir Realismus“, sagte Notker Wolf und zählte Länder auf, die bei deutlich geringerer Einwohnerzahl deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als Deutschland. Zudem erinnerte er daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele Flüchtlinge und in den 1990er Jahren viele Russlanddeutsche integriert werden mussten. Heute spreche davon niemand mehr. Notker Wolf mahnte zu mehr Vertrauen: „Die totale Absicherung bedeutet, kein Vertrauen mehr zu haben in das Leben und in die Menschen.“ Und: „Wer Misstrauen sät, wird nie Vertrauen ernten.“
Doch wie? Notker Wolf plädierte für einen selbstbewussten Umgang mit den Ängsten. Das rechte Maß zu bewahren, sei die Mutter aller Tugenden, zitierte er eine Regel des heiligen Benedikt. „Fürchtet euch nicht“ durchziehe die ganze Bibel, wer an Gott glaube, brauche keine Angst zu haben. „Wenn mir wirklich etwas passiert, kann mir nichts passieren, denn ich lande bei Gott.“ Christen hätten die Aufgabe, ihren Glauben zu leben – und durch ihr danach ausgerichtetes Tun zu einer besseren Gesellschaft beizutragen. „Der Glaube ist die Befreiung zum Leben und zur Lebensfreude.“
Mit Mut und einem unverstellten Blick
In der anschließenden Diskussion äußerte ein Mann seine Ängste im Hinblick auf die Europawahl am 26. Mai, bei der Prognosen die rechten Parteien schon bei 30 Prozent sähen. „Wir werden unsere Demokratie und unsere Freiheit verteidigen müssen“, sagte Notker Wolf. Sie werde unruhig, wenn sie höre, dass sie nur auf Gott vertrauen solle, sagte eine Frau. „Wir nehmen alle die Dinge dieser Welt viel zu wichtig“, sagte der Benediktinerpater und forderte zu mehr Mut auf. Er berichtete davon, dass er in Nordkorea ein Krankenhaus habe aufbauen wollen und ihm geraten wurde, zu warten bis sich das System ändere. „Ich möchte nicht warten, bis sich das System ändert, sondern ich möchte das System verändern“, sagte er. Das Krankenhaus habe inzwischen 1.500 Betten und versorge zwei Millionen Menschen. Ihm sei das Vorgetragene zu harmonisierend, kritisierte ein Mann aus dem Publikum, ihm würden die Alltagssituationen gerade auch mit Blick auf die Flüchtlingssituation fehlen. „Das Entscheidende ist, dass ich dem Anderen nicht von vorneherein Böses unterstelle“, sagte Notker Wolf. Bei der Vollverschleierung islamischer Frauen zum Beispiel gehe es darum, die Auseinandersetzung zu führen und unsere Freiheit einzuklagen. Sie sei für Vielfalt, sagte eine Frau und kritisierte, dass die Katholische Kirche Sonderrechte für sich in Anspruch nehme. Er sei für die Ordination der Frau und die Abschaffung des Klerikalismus‘, sagte der Benediktiner. Er sei auch für eine gemeinsame Sprache und Hausordnung. Eine andere Kultur dürfe nicht unsere Grundrechte verletzen.
Notker Wolf spreche aus einer reichhaltigen Lebenserfahrung und ermutige die Menschen, ihren Weg weiterzugehen, brachte es Dekan Joachim Meyer auf den Punkt. Zum Abschluss griff der Benediktiner zur E-Gitarre und spielte mit der Band das Lied „Smoke on the Water“, das er vor etlichen Jahren auch schon mal mit Deep Purple gespielt hat.
    (S.Rummel)

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