140 Grenzgänger in Langstadt: Von Zapfenpflückern, Streuobstwiesen und Waldwegen

Sieben Kilometer durch die Langstädter Gemarkung lagen vor den Wanderern.

„Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du, keinen Hauch“ – als Johann Wolfgang von Goethe diese Zeilen schrieb, hatte er eines vermutlich nicht im Sinn: Die Arbeit von Zapfenpflückern. Wenn sie unterwegs sind, wird es in den Wipfeln von Tannen, Kiefern und Douglasien ziemlich unruhig. Denn Zapfenpflücker tun genau das, was ihre Berufsbezeichnung aussagt: Sie pflücken Zapfen. Und das in schwindelerregender Höhe von 50 Metern und mehr.

Es ist wahrscheinlich der außergewöhnlichste Arbeitsplatz, den man in Deutschland haben kann. Und es ist der seltenste. Nur gut 100 Zapfenpflücker gibt es hierzulande. Sie sind echte Saisonarbeiter – ihre Arbeitskraft wird nur im späten Sommer und frühen Herbst benötigt. Dann aber ist sie für die Forstwirtschaft außerordentlich wichtig. Denn die reifen Zapfen von Fichten, Tannen und Kiefern enthalten das Saatgut, das die Forstleute für die nachhaltige Waldbewirtschaftung brauchen. Nach der Ernte kommen sie in die Staatsdarre nach Hanau-Wolfgang, wo die Zapfen getrocknet und die Samen entnommen werden.
Dabei ist der Ertrag gering. „Für ein Kilogramm Samen müssen 50 Kilogramm Zapfen geerntet werden“, erklärte Forstwirtin Tanja Wöber den etwa 140 Wanderern, die nun am Grenzgang durch die Langstädter Gemarkung teilnahmen. Die Karnevalsabteilung des TSV Langstadt hatte zum 15. Mal eingeladen, wie jedes Jahr am dritten Oktober eine ebenso informative wie vergnügliche Route vorbereitet. Die Revierförster Tanja Wöber und Lothar Seipp führten die Gruppe über den Schaafheimer Weg zu Schlierbacher-, Wacholder- und Steinkaut-Schneise. Von dort ging es zu den Streuobstwiesen am Wingertsberg, über Straßenmühle und den tiefen Graben zurück zum Vereinsheim des TSV. Sieben Kilometer legten die Wanderer so zurück.
Die Arbeit der Zapfenpflücker war eines von neun Themen, die überwiegend die Arbeit der Forstleute betraf. Dazu gehörten auch die Verjüngung der Baumbestände sowie Schutzmaßnahmen für die frisch gepflanzten Bäume. Die Teilnehmer erfuhren zudem, unter welchen Gesichtspunkten Waldwege angelegt werden. Anders als bei Straßen dürfen Waldwege nicht einfach mit einer Asphaltdecke versiegelt werden. Vielmehr müssen die Wege wasserdurchlässig sein und an den Rändern leicht abfallen, damit bei Regen das Wasser zum Waldboden hin abfließen kann. Wasserdurchlässig sind auch die Bäume selbst. Wie Wasser und Nährstoffe aus dem Boden über die Wurzeln ihren Weg durch Stamm und Äste bis in die Baumkrone finden, konnten große und kleine Grenzgang-Teilnehmer selbst ausprobieren. Dazu gab es eine Seifenblasenmaschine aus dem Naturmaterial Holz. Seifenlauge wurde auf eine flache Baumscheibe aufgetragen. Durch kräftiges Pusten auf der Rückseite entstand vorn eine große Seifenblase, da die feinen Kapillaren in der Holzscheibe die Atemluft durchließen.
Mit dem 15. Grenzgang, der bei Handkäs´ mit Musik seinen Abschluss fand, war der Elferrat der Karnevalsabteilung im Langstädter TSV zufrieden, obgleich die Teilnehmerzahl mit über 200 schon deutlich höher lag. Dies könnte aber auch am Datum gelegen haben: Am Samstag wurde nur ein paar Kilometer entfernt in Frankfurt der 25. Jahrestag der Deutschen Einheit gefeiert.       mel

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